Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
ihrer Mutter. Anna musste lächeln. Dieses Mädchen war wirklich sonderbar. Sie war zielstrebig, ihre kleine Magdalena, und sie gab nie auf. Und sie war eine echte Schönheit. Die Männer würden sich ihretwegen einmal Schwerter in den Leib rammen, so viel war sicher.
»Du willst in den Stall? Ich helfe dir.«
Das war Lucilla, die mittlere der Schwestern. Sie war vernarrt in die kleinste der Familie und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, mit ihr zusammen zu sein. Als Lucilla die Tür zum Stall öffnen wollte, nahm sie jedoch ihre Mutter wahr, die gedankenversunken an der Hausmauer lehnte. Einem plötzlichen Verlangen nach Nähe folgend ergriff das Mädchen die Hand der jüngeren Schwester und lief mit ihr zu Anna hinüber. Beide schmiegten sich kichernd an die warme, nach Kräutern duftende Schürze und genossen es, wie Annas Hände ihnen über den Kopf strichen.
Anna fühlte sich innig verbunden mit ihren Kindern und zog daraus die Kraft, das harte Leben hier draußen durchzustehen. Hoffentlich würden es ihre Kinder einmal besser haben. Sie blickte ruhig der kleinen Staubwolke entgegen, die sich auf ihr Haus zubewegte. Es waren, wie erwartet, Giacomo und Marina, die sich ohne Hast auf dem Heimweg befanden.
Als sie den Hof des kleinen Anwesens erreichten, löste sich Magdalena aus der Umarmung der Mutter und lief Vater und Schwester entgegen. Hatte der Viehhüter gerade noch mit seiner Ältesten gescherzt, verdunkelte sich seine strahlende Miene schlagartig beim Anblick der Kleinen, und er drehte sich weg, um das Kind nicht berühren zu müssen. Im selben Moment schien er zu bemerken, wie befremdlich sein Verhalten auf das Mädchen wirken musste, und so wandte er sich dem Kind wieder zu und klatschte aufmunternd in die Hände. Aber zu spät. Magdalena hatte sich bereits umgedreht und lief zu Marina, die sie fröhlich lachend in die Arme nahm. Giacomo schaute seine Frau an, mit diesem verwundeten Ausdruck, den er immer hatte, wenn es um Magdalena ging. Er liebt sie einfach nicht, dachte Anna betroffen. Er gibt sich Mühe, aber er liebt sie nicht, und er wird sie niemals lieben. Gott möge ihm vergeben. Sie lächelte ihrem Mann zu, wissend und traurig. Dann drehte sie sich langsam um und ging ins Haus zurück.
In dieser Nacht fiel es Anna schwer, Schlaf zu finden. Sie hatte Giacomo diesen Blick geschenkt am Abend, hatte auffordernd ihr Hemd vor ihm fallen lassen und mit einem Lächeln die Reaktion seines Körpers quittiert. Erschaudernd zog er sie zu sich heran, vergrub sein Gesicht zwischen ihren schmerzenden Brüsten. Sie schenkten sich alles, was sie sich schenken konnten, verloren sich in einem Taumel aus Seligkeit und Rausch, und dann, endlich, fanden sie sich wieder, keuchend, lachend, verliebt wie am ersten Tag ihres gemeinsamen Lebens. Giacomo küsste ihr den Schweiß vom Bauch, liebkoste ihre vollen Brüste noch zärtlicher als sonst und murmelte: »Carissima. Meine Liebste. Ohne dich bin ich nichts. Verlass mich nicht. Niemals. Versprich es mir, anima mia, meine Seele. Mein Leben. Du …«
Weinte er? Später lag Anna noch lange wach und lauschte den Atemzügen ihres Mannes. Sie war voller Traurigkeit, weil sie es nicht vermocht hatte, ihn zu trösten. Vorsichtig schob sie seinen Kopf von ihrem Bauch, um besser atmen zu können. Auch jetzt, in den unwirklichen Stunden zwischen Tag und Traum, war es noch stickig und heiß, und die Maremma zeigte sich von ihrer ungnädigsten Seite. Das Sumpfland wimmelte in diesem Sommer nur so von Fliegen und Mücken, und der leise Nachtwind trieb die Insekten in Schwärmen zu den Häusern der Menschen. Sie brachten das Fieber, an dem viele starben, besonders unter den Kindern. Anna hatte Angst um ihre Töchter. Sie waren so dünn, was sollten sie der Krankheit entgegensetzen?
Sie würde nach Lucca gehen, morgen schon, und ihre alte Tante besuchen, die bei Ascaniodi Cavalli als Wirtschafterin in Diensten stand. Vielleicht konnte sie dort ein paar Tage in der Küche arbeiten und ein paar Eier und ein paar Libbre Weizen verdienen. Anna rollte sich zusammen und strich Giacomo über das lockige, von grauen Fäden durchzogene Haar. Er war ein guter Mann. Und der beste Gefährte, den sie sich wünschen konnte. Sie wollte ihn so gern glücklich machen, ihm einen Sohn schenken, einen kleinen Buttero. Aber ihr Körper hatte es ihr bisher versagt; einige Male war sie schwanger geworden, aber nur kurz darauf verlor sie das Kind unter Krämpfen. Auch eine Totgeburt musste sie
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