Das Geheimnis der Götter
bekam das Stückchen Zedernholz mitten ins Gesicht.
Erschrocken ließ er seinen Becher fallen.
Vor ihm stand ein Koloss von Mann.
»Ich bin Wesir Sobek. Und du bist der Anführer der Aufständischen, die sich schon vor langer Zeit in Memphis eingeschlichen haben – schon viel zu lange. Du bist der Auftraggeber zahlreicher Morde und schrecklicher Grausamkeiten.«
»Da täuscht Ihr Euch, ich bin ein anständiger Kaufmann! Ich bin angesehen…«
»Medes ist tot. Dank der Geschwätzigkeit seiner geheimen Aufzeichnungen konnte ich nun endlich zum Kopf des Ungeheuers vordringen. Deine Befehle wurden vereitelt, Nesmontu hat nur einige Leichtverletzte in den Reihen der Ägypter zu beklagen.«
»Nesmontu, aber…«
»Ja, der General lebt und erfreut sich bester Gesundheit.«
Der Libanese war nicht in der Lage aufzustehen und ersparte sich die überflüssigen Unschuldsbeteuerungen.
»Du warst der Anführer der Trupps in Memphis«, fuhr Sobek fort. »Über dir kommt nur noch euer oberster Führer, der Prophet. Wo versteckt er sich?«
Jetzt konnte der Fettwanst vor Zorn nicht mehr an sich halten.
»Der Prophet, dieser Irre, der mir mein Leben zerstört hat!
Anstatt mich wie versprochen reich und mächtig zu machen, hat er mich vernichtet. Ich hasse ihn, ich verfluche ihn, ich…«
Die lange Narbe, die sich quer über die Brust des Libanesen zog, sprang mit einem Ruck auf und riss seinen Körper in zwei Hälften.
Vor Schmerz konnte er nicht einmal mehr schreien und sah nur noch, wie das Blut auf seinen Umhang quoll und ihm das Herz aus der Brust sprang.
Die Königin, der Wesir und General Nesmontu zeigten sich den Einwohnern von Memphis, die ihrer Freude freien Lauf ließen. In jedem Viertel wurde ein Festmahl zu Ehren des Pharaos gegeben, dem ruhmreichen Beschützer seines Volkes. Trotz dieses unbestreitbaren Erfolgs konnten weder der Wesir noch die Mitglieder des Goldenen Kreises die Erleichterung der Bevölkerung teilen.
Der Prophet war noch nicht besiegt, der Pharao war nicht da. Und was geschah eigentlich wirklich in Abydos?
Aber es gab noch einen Grund zur Genugtuung: die Freilassung von Sehotep. Jetzt konnte der Goldene Kreis wieder zusammengerufen und so wirkungsvoll gegen die Mächte der Finsternis gekämpft werden.
Zuerst aber musste in Memphis vollkommener Friede einkehren. Ehe er sich dessen nicht versichert hatte, wollte General Nesmontu die Stadt nicht verlassen.
»Heute haben wir schon den elften Khoiak«, bemerkte Senânkh. »Wird Osiris am dreißigsten auferstehen?«
»Der Pharao und Isis wenden das Ritual des Großen Geheimnisses an«, versuchte ihn Sehotep zu beruhigen, »und sie geben den Kampf nicht auf.«
»Der zwölfte ist ein gefährlicher Tag. Wenn da ein Fehler geschieht, wird der Vorgang der Auferstehung unterbrochen. Dann hätte der Prophet anstelle der Akazie des Osiris den Baum des Todes gepflanzt.«
MONAT KHOIAK
Zwölfter Tag (31. Oktober)
ABYDOS
Es war noch tiefe Nacht im Großen Reich von Osiris, als der Prophet mit rot glühenden Augen aus dem Schlaf fuhr.
»Ein nasses Tuch, Bina, schnell!«
Unsanft aus ihren Träumen gerissen, verlor sie keine Zeit. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Prophet die Flamme löschen konnte, die aus der Innenfläche seiner rechten Hand schoss und ihm das Fleisch verkohlte.
Bina war entsetzt über die Wunde.
»Ihr müsst euch sofort behandeln lassen, Herr!«
»Da genügt etwas Salz. Heute Abend ist die Wunde verheilt. Diese elenden Würmer haben mich verraten, der raffgierige Medes und der widerliche Gergu sind tot.«
»Wolltet Ihr sie nicht sowieso beseitigen?«
»Da hast du Recht, ihre Zeit war tatsächlich abgelaufen. Und den Fetten hat es zerrissen wie ein altes Leintuch.«
»Meint Ihr etwa den Libanesen, unseren Führer in Memphis?«
»Anstatt Lobreden auf mich zu halten und meinen Namen zu rühmen, hat er mich beschimpft und beleidigt. Seine Bestrafung ist ohne Beispiel und wird den Ungläubigen eine Lehre sein.«
»Haben wir denn Memphis erobert?«
»Meine getreuen Anhänger sind im Kampf für den wahren Glauben untergegangen und kommen dafür in den Himmel. Ich muss diese Nephthys zum Reden bringen und
herausfinden, wie wir ins Haus des Lebens kommen und alle Hoffnung auf eine Auferstehung zerstören können. Danach verlassen wir Abydos.«
»Aber die vielen Wachen, Herr, was ist mit Eurer Sicherheit…«
»Du denkst wie eine Frau. Nimm zwei Säcke Salz, dann gehen wir zu Shabs Versteck.«
Shab der Krumme rechnete
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