Das Geheimnis der Götter
sich und bildet sich neu, alles verschwimmt und entwirrt sich wieder, und was entfernt war, wird wieder eingegliedert. Du bist nicht mehr nur das Leben eines einzelnen Menschen, sondern das Leben von Himmel und Erde.«
Sesostris beseelte die vierzehn ka seines Sohnes: das Wort, die Ehrwürdigkeit, die Tat, die Entwicklung, den Sieg, die Erleuchtung, die Fähigkeit zu herrschen, Nahrung im Überfluss, das Dienen können, die Magie, die Ausstrahlung, die Kraft, das Licht der Enneade und die Genauigkeit.
»Ihnen ist es zu verdanken, dass sich dein geistiges Sehvermögen, deine Urteilskraft und dein schöpferisches Gespür neu bilden.«
Da wurde Iker von sanftem Licht umhüllt.
Dieser Teil der Umwandlung war also geglückt.
»Ich sammle die Teile meines Bruders ein«, erklärte Isis,
»dann vereint er sich mit dem Urmeer und lebt von seinen Wassern.«
In einer goldenen Schale fing der Pharao die Tränen der Isis auf.
»Ich muss jetzt gehen«, teilte er seiner Tochter mit. »Der Prophet konnte fliehen. Weil es ihm nicht gelungen ist, Abydos wirklich zu bedrohen, wird er nun versuchen, ein schreckliches Unglück mit seiner wichtigsten Waffe auszulösen, dem zerstörerischen Feuer.«
»Der Kupferkessel des Roten Gebirges in der dritten Provinz Oberägyptens deutete auf große Schwierigkeiten hin«, erinnerte ihn Isis.
»Die Seelen von Nekhen und deine Suche haben sie ausgeräumt«, meinte der König. »Aber es gibt einen zweiten, riesengroßen Kupferkessel in der Nähe von Memphis. Sollte es dem Propheten gelingen, seinen Inhalt zu vergießen, würde er die Stadt vernichten. Nur ich allein kann ihm die Stirn bieten und ihn daran hindern, weiteren Schaden anzurichten.«
»Kämt Ihr nicht vor dem dreißigsten des Monats Khoiak zurück, wären alle unsere Anstrengungen umsonst gewesen. Osiris würde nicht wieder auferstehen. Ohne Euch können wir unser Werk unmöglich zu Ende führen.«
Der Hüne umarmte seine Tochter.
»Wir haben gerade einen entscheidenden Schritt getan, denke jetzt nicht an den nächsten. Zweifel, Ängste und Furcht vor dem Scheitern werden dich bestürmen. Aber du bist die Oberpriesterin von Abydos, und du bist den Weg des Feuers gegangen. Iker ist bereits von einem neuen Leben beseelt. Sieh zu, dass es wächst und gedeiht. Am dreißigsten Khoiak bin ich an deiner Seite.«
Sekari und dem Kahlen gegenüber beherrschte sich Bega und spielte den Ahnungslosen.
»Ja, ich habe Asher eingestellt, so wie viele andere Zeitweilige auch, die ein Handwerk ausüben und uns von den Dorfältesten empfohlen werden. Er musste die übliche Eingangsprüfung über sich ergehen lassen und hatte eine Probezeit. Da seine Vorgesetzten sehr zufrieden mit ihm waren, ist er in regelmäßigen Abständen nach Abydos gekommen.«
»Ist dir nichts an ihm aufgefallen, nichts, was dich beunruhigt hätte?«, fragte Sekari.
»Ich habe ihn nur sehr selten gesehen und mich auch nicht weiter um seine Arbeit gekümmert. Nach Aussage der Ritualisten, die für ihn zuständig waren, hat er sich keinen Fehler zuschulden kommen lassen.«
»Was hältst du vom Diener des ka?«, fragte ihn jetzt der Kahle.
»Ein untadeliger ständiger Priester, vorbildlich und sehr gewissenhaft. Da er aber meist schlechte Laune hat und ein Menschenfeind ist, haben wir kaum etwas mit ihm zu tun.«
»Und auch er hat sich in letzter Zeit nicht irgendwie auffällig verhalten?«, bohrte Sekari nach.
Bega schien verblüfft.
»Aus meiner Sicht nicht, aber da gab es einige verrückte Gerüchte. Was ist denn eigentlich los?«
»Die Widerständischen, die sich in Abydos eingeschlichen hatten, wurden beseitigt«, erklärte der Kahle. »Aber ihrem Anführer ist die Flucht gelungen.«
»Ihrem Anführer… Ihr wollt doch nicht etwa sagen…«
»Der Prophet hat sich hier als Asher ausgegeben.«
Bega tat so, als sei er vollkommen vor den Kopf gestoßen.
»Der Prophet, hier in Abydos? Unmöglich!«
»Die Gefahr ist vorüber«, beruhigte ihn der Kahle. »Die Mysterien des Monats Khoiak können wie gewohnt gefeiert werden.«
»Ich bin entsetzt«, gestand Bega, »aber ich werde versuchen, meine Pflicht zu tun.«
»Der Prophet, hier…«, murmelte er noch immer, als er den Raum verließ.
»Ein sturer, einfältiger Ritualist«, urteilte der Kahle. »Er hat nichts von dem Bösen geahnt, das Abydos bedrohte. Ausschließlich mit seinen Pflichten beschäftigt, bekommt er nichts mit von den Umwälzungen draußen.«
»Ich beobachte trotzdem weiter, was er macht«,
Weitere Kostenlose Bücher