Das Geheimnis der Goldmine
Schwarz, die vom Klingeln eines großen Schlüsselbundes begleitet wurde. Auf die kleine, schlanke Person, die ihm entgegenkam, war der Inspektor nicht vorbereitet gewesen. Auf die weichen, taubenfarbenen Töne ihres Kleides, die weißen Kragen und Manschetten, das ordentlich gewellte Haar, das leise Mona-Lisa-Lächeln. Der Gesamteindruck hatte etwas Unwirkliches, als ob diese junge Frau von noch nicht dreißig eine Rolle spielte – nicht die Rolle der Haushälterin, dachte Neele, nein, die Rolle der Mary Dove. Ihre ganze Erscheinung zielte darauf ab, ihrem Namen, Marie Taube, gerecht zu werden.
Sie begrüßte ihn ruhig: »Inspektor Neele?«
»Ja. Dies ist Sergeant Hay. Wie ich Ihnen am Telefon schon gesagt habe, ist Mr Fortescue um 12 Uhr 43 im St. Jude’s Hospital gestorben. Wir vermuten, dass sein Tod durch etwas verursacht wurde, das er heute zum Frühstück gegessen hat. Ich wäre deshalb froh, wenn man Sergeant Hay in die Küche führen würde, damit er sich nach den Speisen erkundigen kann.«
Ihr Blick traf einen Moment nachdenklich auf seinen, dann nickte sie.
»Natürlich«, sagte sie. Sie wandte sich an den unruhig wartenden Butler: »Crump, gehen Sie bitte mit Sergeant Hay und zeigen Sie ihm, was immer er sehen will.«
Die beiden Männer gingen hinaus. Mary Dove sagte zu Neele: »Kommen Sie bitte hier durch.«
Sie öffnete die Tür zu einem Zimmer und ging voraus.
Es war ein unpersönlich wirkender Raum, offensichtlich das so genannte Rauchzimmer, mit getäfelten Wänden, Polstersesseln und einer passenden Serie von gerahmten Jagdszenen.
»Bitte.«
Er setzte sich. Mary Dove nahm ihm gegenüber Platz. Sie hatte sich mit dem Gesicht zum Licht gesetzt, bemerkte Neele. Ungewöhnlich für eine Frau. Vor allem, wenn diese Frau etwas zu verbergen hat. Aber vielleicht hatte Mary Dove ja gar nichts zu verbergen.
»Es ist wirklich bedauerlich«, sagte sie, »dass niemand von der Familie anwesend ist. Mrs Fortescue kann jeden Augenblick zurückkommen. Ebenso Mrs Val. Und ich habe Mr Percival Fortescue an verschiedene Adressen telegrafiert.«
»Danke, Miss Dove.«
»Sie sagten, dass Mr Fortescues Tod vermutlich durch etwas verursacht wurde, das er zum Frühstück gegessen hat? Denken Sie etwa an eine Lebensmittelvergiftung?«
»Möglich.« Er beobachtete sie.
Sie sagte gefasst: »Es scheint nicht sehr wahrscheinlich. Heute früh gab es Speck und Rühreier, Kaffee, Toast und Marmelade. Auf dem Buffet stand kalter Schinken, aber der wurde erst gestern Abend aufgeschnitten, und niemand sonst hatte Beschwerden. Es wurde kein Fisch serviert, keine Wurstwaren, nichts dergleichen.«
»Ich sehe, Sie wissen genau, was es zu essen gab.«
»Natürlich, ich stelle ja die Mahlzeiten zusammen. Gestern Abend – «
»Nein«, sagte Inspektor Neele. »Das Abendessen kommt nicht in Frage.«
»Ich dachte, eine Lebensmittelvergiftung kann sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden entwickeln.«
»Nicht in diesem Fall… Würden Sie mir bitte genau sagen, was Mr Fortescue gegessen und getrunken hat, bevor er heute früh das Haus verließ?«
»Um acht Uhr wurde ihm Tee aufs Zimmer gebracht. Frühstück gab es um Viertel nach neun. Mr Fortescue, wie gesagt, hatte Rühreier, Speck, Kaffee, Toast und Marmelade.«
»Keine Frühstücksflocken?«
»Nein, die mochte er nicht.«
»Der Zucker für den Kaffee – war das Würfelzucker oder Kristallzucker?«
»Würfel. Aber Mr Fortescue trank seinen Kaffee schwarz.«
»Nahm er morgens irgendeine Arznei zu sich? Ein Stärkungsmittel? Etwas für die Verdauung?«
»Nein, nichts dergleichen.«
»Haben Sie mit ihm gefrühstückt?«
»Nein, ich esse nicht mit der Familie.«
»Wer war beim Frühstück anwesend?«
»Mrs Fortescue. Miss Fortescue. Mrs Val Fortescue. Mr Percival war wie gesagt außer Haus.«
»Und Mrs Fortescue und Miss Fortescue hatten dasselbe zum Frühstück?«
»Mrs Fortescue nimmt nur Kaffee, Orangensaft und Toast. Mrs Val und Miss Fortescue hingegen essen immer reichlich. Neben Rühreiern und kaltem Schinken werden sie vermutlich auch Flocken gehabt haben. Mrs Val trinkt Tee, keinen Kaffee.«
Inspektor Neele überlegte einen Augenblick. Die Möglichkeiten begannen sich einzuschränken. Drei Personen, und nur drei hatten mit dem Verstorbenen gefrühstückt, seine Frau, seine Tochter und seine Schwiegertochter. Jede von ihnen konnte die Gelegenheit ergriffen und Taxin in seinen Kaffee getan haben. Die natürliche Bitterkeit des Kaffees würde den Geschmack
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