Das Geheimnis der Goldmine
vierter Maschinist auf einem Ostseedampfer.«
»Nun«, sagte Miss Marple. »Ich bin froh, dass sie ihre kleine Romanze hatte. Wo ihr Leben so abgeschnitten wurde…«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Wissen Sie, Inspektor, das macht mich sehr zornig.« Dann fügte sie hinzu, was sie Pat Fortescue schon gesagt hat: »Vor allem die Wäscheklammer empört mich. Das, Inspektor, war wirklich grausam.«
Inspektor Neele schaute sie interessiert an. »Ich weiß genau, was Sie meinen, Miss Marple«, sagte er.
Miss Marple hüstelte entschuldigend. »Ich frage mich – es ist wohl sehr anmaßend von mir – doch wenn ich Sie nur auf meine bescheidene und leider wohl sehr weibliche Art unterstützen könnte! Wir haben es mit einem bösartigen Mörder zu tun, Inspektor Neele, und die Bösartigen müssen bestraft werden.«
»Das ist eine sehr altmodische Ansicht heutzutage, Miss Marple«, sagte der Inspektor grimmig. »Nicht, dass ich sie nicht teilen würde.«
»Es gibt ein Hotel beim Bahnhof, und dann ist da noch das Golf Hotel«, überlegte Miss Marple. »Und ich glaube, hier im Hause lebt eine Miss Ramsbottom, die sich sehr für die Missionsarbeit interessiert.«
Inspektor Neele nickte anerkennend. »Ja«, sagte er. »Das wäre eine Möglichkeit. Ich kann nicht behaupten, dass wir mit der alten Dame sehr erfolgreich gewesen wären.«
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Inspektor Neele. Ich bin ja so froh, dass Sie mich nicht als sensationslüsterne alte Schachtel abschreiben.«
Inspektor Neele schenkte ihr unerwartet ein flüchtiges Lächeln. Miss Marple, dachte er, entsprach so gar nicht dem Bild, das man sich von einer Rachegöttin machte. Und doch war sie wohl genau das.
»Zeitungsberichte«, sagte Miss Marple, »sind oft so marktschreierisch. Aber wohl nicht so exakt, wie man es sich wünschen würde.« Sie sah Inspektor Neele fragend an. »Wenn ich nur sicher sein könnte, die nüchternen Fakten zu kennen…«
»Sie sind nicht besonders nüchtern. Von aller Sensationsgier befreit, sehen sie so aus: Mr Fortescue starb in seinem Büro an den Folgen einer Taxinvergiftung. Taxin wird aus den Beeren und Nadeln der Eibe gewonnen.«
»Wie praktisch«, sagte Miss Marple.
»Möglich. Aber wir haben keine Beweise. Noch keine, sollte ich sagen.« Das betonte er, weil er glaubte, dass Miss Marple da nützlich sein konnte. Wenn im Haus irgendein Eibentrank gebraut worden war, würde Miss Marple vielleicht Spuren davon finden. Diese alten Jungfern stellten doch alle möglichen hausgemachten Liköre, Stärkungsmittel und Kräutertees her. Sie kannte bestimmt alle Methoden der Herstellung und auch der Entsorgung.
»Und Mrs Fortescue?«
»Mrs Fortescue war mit der Familie beim Tee in der Bibliothek. Elaine Fortescue, ihre Stieftochter, hat als Letzte den Raum verlassen. Sie sagte aus, dass Mrs Fortescue sich noch eine Tasse einschenkte, als sie hinausging. Ungefähr zwanzig Minuten oder ein halbe Stunde später kam Mary Dove, die Haushälterin, herein, um das Tablett abzuräumen. Mrs Fortescue saß immer noch auf dem Sofa, tot. Neben ihr eine Tasse Tee, noch zu einem Viertel voll, mit Spuren von Zyankali.«
»Das wirkt beinahe sofort, glaube ich«, sagte Miss Marple.
»Genau.«
»Gefährliches Zeug. Ich benutze es, um Wespennester auszuräumen, aber ich bin immer sehr, sehr vorsichtig damit.«
»Sehr gefährlich, ja, da haben Sie ganz Recht«, sagte Inspektor Neele. »Im Werkzeugverschlag des Gärtners war eine Schachtel.«
»Wiederum sehr praktisch.« Miss Marple fügte hinzu: »Hat Mrs Fortescue etwas gegessen?«
»Oh ja, der Tee war recht üppig.«
»Kuchen vermutlich. Brot und Butter? Süße Brötchen vielleicht? Marmelade? Honig?«
»Ja, Honig und süße Brötchen, Schokoladekuchen, Wecken und anderes.« Er sag sie neugierig an. »Das Zyankali war im Tee, Miss Marple.«
»Oh ja, ich weiß. Ich wollte mir nur ein umfassendes Bild machen. Ziemlich aussagekräftig, finden Sie nicht?«
Er sah sie eher verwirrt an. Ihre Wangen waren rosa, ihre Augen glänzten.
»Und der dritte Todesfall, Inspektor Neele?«
»Nun, die Fakten scheinen eindeutig. Das Mädchen, Gladys, brachte das Tablett mit dem Tee herein, dann trug sie das zweite Tablett bis in die Halle und ließ es dort stehen. Sie war den ganzen Tag schon unaufmerksam gewesen. Danach hat sie niemand mehr gesehen. Die Köchin, Mrs Crump, nahm an, dass sie ausgegangen war, ohne jemandem Bescheid zu geben. Ihre Annahme beruhte auf der Tatsache, dass das
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