Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
liefen, kletterte mühsam über die Bordwand und stürzte sich hinab ins Leere. Sie fiel, flog durch Dunkelheit. Als sich das Wasser über ihr schloss wie eine kalte Faust, fragte sie sich, ob sie wohl je wieder nach oben kommenwürde, anstatt immer tiefer zu sinken, in die dunkelsten Tiefen, in Schwärze und Schweigen …
Aber sie stieg nach oben. Als sie das Boot gefunden und Cadrach beim Hineinklettern geholfen hatte, legten sie die Ruder ein und entfernten sich langsam von dem verwundeten Schiff. Noch immer brodelte über ihnen das Unwetter, aber seine Kraft ließ nach. Hinter ihnen wurde die Eadne-Wolke immer kleiner, bis sie nur noch ein brennender Lichtpunkt am schwarzen Horizont war, eine winzige Flamme, ein sterbender Stern.
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Sturmkönigs Amboss
m nördlichsten Rand der Welt stand der Berg, ein gefletschter Zahn aus eisigem Stein, der seinen Schatten weit über das Land warf und selbst die anderen Gipfel weit überragte. Seit vielen Wochen waren Rauch, Dampf und Gewölk aus den Öffnungen in den Flanken des Berges geströmt. Jetzt umgaben die Wolken die Krone von Sturmspitze wie ein Kranz, kreisten in den mächtigen Winden, die um den Gipfel wehten, verdichteten und verdunkelten sich, als saugten sie die schwärzeste Finsternis der äußersten Nacht von den Sternen herunter.
Der Sturm wuchs und breitete sich aus. Die wenigen Menschen, die noch hier und da in Sichtweite des furchtbaren Berges lebten, duckten sich in ihren Langhäusern, deren Balken knarrten, wenn der Wind heulte. Ein scheinbar endloser Schneesturm häufte seine Last auf ihre Mauern und Dächer, und alles, was übrigblieb, waren weiße Erhebungen wie Grabhügel. Nur die dünnen Rauchfahnen, die über den Schornsteinen flatterten, machten sie noch als Behausungen lebender Wesen kenntlich.
Auch die riesige Fläche offenen Lands, die man Frostmark nannte, lag unter Schneewehen begraben. Noch vor wenigen Jahren war die weite Ebene von kleinen Weilern übersät gewesen, von blühenden Städten und Dörfern, die vom Verkehr auf der Weldhelm- und der Frostmarkstraße lebten. Jetzt, ein halbes Dutzend ununterbrochener Schneeperioden später, waren die Ernten erfroren und so gut wie alle Tiere gegessen oder geflohen. Das Land war zur öden Wüste geworden. Wer sich noch in den Ausläufern der Grenzgebirge oder den schützenden Wäldern versteckt hielt, nahm es nur noch als Heimat von Wölfen und wandernden Geistern wahr und nannte dieFrostmark längst bei einem anderen Namen: Sturmkönigs Amboss. In diesen Tagen sauste ein noch schlimmerer Sturm, ein furchtbarer Hammer aus Reif und Kälte, auf diesen Amboss nieder.
Der lange Arm des Sturms griff sogar noch über Erkynland hinaus nach Süden, schickte eisige Windböen über das offene Grasland und malte zum ersten Mal seit Menschengedenken die Thrithinge knochenweiß. Auch nach Perdruin und Nabban kehrte der Schnee zurück – zum zweiten Mal in einer einzigen Jahreszeit, aber nur zum dritten Mal in fünf Jahrhunderten. Und jenen, die sich zuvor über die Feuertänzer und ihre Unheilswarnungen lustig gemacht hatten, presste jetzt eine Furcht das Herz zusammen, die weit kälter war als der Pulverschnee, der sacht auf die Kuppeln der Sancellanischen Paläste fiel.
Wie eine Flut, die unaufhaltsam einer unvorstellbaren Hochwassermarke zuströmt, drang der Sturm immer weiter vor, überzog südliche Länder, die seine Berührung nie gefühlt hatten, mit Frost und bedeckte ganz Osten Ard unter einem großen, kalten Bahrtuch. Es war ein Sturm, der das Herz betäubte und den Mut lähmte.
»Hier entlang!«, rief der Anführer der Reiter und zeigte nach links. » A prenteiz, Männer – los und hinterher!« Er spornte sein Ross und ritt so schnell, dass seine Atemwolke hinter ihm in der Luft zurückblieb. Schnee spritzte unter den Hufen.
Mit einem Satz drang er in die Lücke zwischen zwei halbverfallenen, schneebedeckten Hütten ein. Sein Pferd zerteilte die Schneewehen so mühelos wie Nebel. Eine dunkle Gestalt schoss hinter der einen Hütte hervor ins Freie und raste davon, in großen Sprüngen kreuz und quer über das Feld. Der vorderste Verfolger setzte über einen niedrigen, unter Schnee begrabenen Zaun und heftete sich an die Fersen des Flüchtlings. Die donnernden Hufe des Pferdes verwischten die kleineren Abdrücke der fliehenden Beute, aber es war auch keine weitere Spurensuche mehr nötig, das Ende in Sicht. Ein halbes Dutzend anderer Reiter kam zwischen den Häusern hervorgesprengt und
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