Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
ließ für einen Augenblick nach. Miriamel sah, dass sich im Feuerschein des unter ihr liegenden Decks nur noch wenige Gestalten regten. Sie schaute die zusammengekauerte Niskie an, schlug das Zeichen des Baumes und ging die Treppe hinunter. Sie würde später darüber nachdenken. Später würde sie sich fragen, warum. Später.
Es war ein verwundeter Seemann, kein Kilpa, der Miriamel auf dem Rückweg zu packen versuchte. Als sie mit dem Messer nach seiner Hand stach, ließ er los und sank auf das überflutete Deck zurück. Wenige Schritte weiter stieß sie auf die Leiche von Thures, dem jungen Pagen des Grafen. Er zeigte keine Spuren von Gewalt. Das tote Gesicht des Jungen lag friedlich unter seichtem Wasser. Sein Haar wogte wie Seetang.
Cadrach war so glücklich, sie zu sehen, dass er nicht ein einziges Wort des Vorwurfs laut werden ließ und keinerlei Fragen stellte. Miriamel suchte die Stelle, an der das letzte Windenseil befestigt war, und machte sich daran, es mit ihrem Dolch durchzusägen. Sie beugte sich nach hinten, als das lose Ende peitschend durch die Luft fuhr. Die Windentrommel drehte sich, und das Boot sauste nach unten. Eine Wolke weißer Gischt stob auf, als es auf die Wellen klatschte.
Cadrach streckte ihr das Ruder hin, das er umklammert gehalten hatte. »Hier, Miriamel. Ihr seid erschöpft. Es wird Euch beim Schwimmen helfen.«
»Mir?« Sie war so überrascht, dass sie fast gelächelt hätte.
Eine dritte Stimme unterbrach sie. »Da bist du ja, Liebste.«
Miriamel fuhr herum. Eine unheimliche Gestalt hinkte auf sie zu. Aspitis hatte an einem Dutzend Stellen blutende Schnittwunden. Ein Auge war von einem schweren Hieb zugeschwollen. Blut befleckte die goldenen Locken. Aber immer noch hielt er das lange Schwert in der Hand, und immer noch war er schön und schrecklich wie ein Leopard auf der Jagd.
»Ihr wollt mich verlassen?«, erkundigte er sich höhnisch. »Wollt Ihr nicht einmal helfen aufzuräumen – nach dem Besuch unserer …«, er grinste, ein grausiger Anblick, und deutete auf das Deck, »… Hochzeitsgäste?« Wieder kam er einen Schritt näher und bewegte dabei langsam das Schwert von einer Seite zur andern. Im Schein der brennenden Segel schimmerte es wie eine Strähne aus glühendem Eisen. Es war merkwürdig faszinierend, zuzuschauen, wie es hin und her schwang … hin und her …
Miriamel schüttelte ruckartig den Kopf und reckte sich straffer. »Fahrt zur Hölle.«
Aspitis’ Lächeln verschwand. Er hob die Schwertspitze und näherte sie ihrem Auge. Hinter ihr stieß Cadrach einen Fluch aus.
»Soll ich Euch töten«, sagte der Graf sinnend, »oder könnt Ihr mir noch nützlich sein?« Seine Augen waren unmenschlich, beinahe wie die eines Kilpa.
»Tötet mich nur. Ich möchte lieber sterben, als mich noch einmal von Euch anfassen zu lassen.« Sie starrte ihn an. »Ihr bezahlt die Feuertänzer. Warum? Für Pryrates?«
Aspitis schüttelte den Kopf. »Nur einige. Solche, die nicht … fest im Glauben sind. Aber brauchbar sind sie alle.« Er runzelte die Stirn. »Ich möchte jetzt nicht über solche unwichtigen Dinge reden. Ihr gehört mir. Was soll ich bloß mit Euch tun?«
»Ich habe etwas, das wirklich Euch gehört«, versetzte Miriamel und zückte den Dolch. Aspitis lächelte, hob jedoch seine Klinge, um einem plötzlichen Wurf zu begegnen. Stattdessen schleuderte ihm Miriamel den Dolch vor die Füße ins Wasser. Als der Graf ein winziges Stück den Kopf senkte, stieß sie ihm das Griffende des Ruders in den Leib. Er schnappte nach Luft und taumelte einen Schritt zurück, blindlings mit dem Schwert um sich stechend ähnlich einer verletzten Biene. Miriamel hob mit beiden Händen das Ruder und schwang es mit aller Kraft in einem weiten Bogen durch die Luft. Der Schwung endete mit dem Knirschen von Knochen. Aspitis kreischte auf und stürzte zu Boden, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Zwischen seinen Fingern spritzte Blut hervor.
»Ha!«, schrie Cadrach. »Schau dich an, du Teufel! Jetzt brauchst du einen neuen Köder für deine Weiberfalle!«
Miriamel sank in die Knie und schob Cadrach über das glitschige Deck das Ruder hin. »Los«, schnaufte sie, »nehmt es und springt.« Einen Moment lang stand der Mönch so verwirrt da, als wisse er nicht mehr, wo er sich befand, dann stolperte er zur Reling. Er schloss die Augen, murmelte ein paar Worte und sprang über Bord. Miriamel rappelte sich auf, warf einen letzten Blick auf den Grafen, dem rote Schaumblasen aus dem Mund
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