Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
leider ganz und gar nicht danach aus –, wie sollte sein Leben dann weitergehen?
Denn was taten Ritter? Sie verwalteten ihr Lehen, sofern sie Land besaßen. Mehr oder weniger wie Bauern, nicht wahr? Auf jeden Fall nichts Großartiges. Aber plötzlich fand Simon den Gedanken, von einem nassen Tag auf den Feldern nach Hause zu kommen, äußerst verlockend. Er würde Mantel und Stiefel ausziehen, in die Pantoffeln schlüpfen und sich an einem großen, prasselnden Feuer wärmen. Jemand würde ihm Wein bringen und mit einem heißen Schüreisen anwärmen … aber wer? Eine Frau? Seine Ehefrau? Er versuchte, ein passendes Bild aus der Dunkelheit zu zaubern, aber es wollte ihm nicht gelingen. Selbst wenn Miriamel ihren Rang verlor und einwilligte, einen Nichtadligen zu heiraten – und dann auch noch Simon nahm: mit anderen Worten, wenn die Flüsse bergauf flossen und Fische flogen –, dann war sie kaum die Frau, die still zu Hause saß und darauf wartete, dass ihr Mann vom Feld heimkehrte. Sie sich so vorzustellen war fast, als denke man an einen wunderschönen Vogel mit gestutzten Flügeln.
Aber wenn er nicht heiratete und keine Familie gründete, wasdann? Der Gedanke an Turniere, jenen Hauptinhalt ritterlicher Unterhaltung in Frühjahr und Sommer, um den seine erregten Gedanken jahrelang gekreist waren, erregte ihm heute beinahe Übelkeit. Dass gesunde Männer einander grundlos Verletzungen zufügten und im Spiel Augen, Glieder und sogar das Leben verloren, obwohl die Welt auch so schon ein schrecklicher und gefährlicher Ort war, versetzte ihn darüber hinaus in Wut. »Kriegsspiel« nannten es manche. Als ob irgendein Spiel, und sei es noch so riskant, so grauenvoll sein konnte wie das, was Simon wirklich erlebt hatte! Krieg, das war wie ein Sturmwind oder ein Erdbeben, etwas Furchtbares, mit dem man keinen Scherz trieb. Krieg zu spielen grenzte an Gotteslästerung. Mit Lanze und Schwert zu üben war etwas, das man tat, um am Leben zu bleiben, wenn man in einen Krieg hineingeriet. Wenn alles, was ihn jetzt quälte, einmal vorbei war – falls es jemals vorbei sein würde –, wollte Simon den Krieg so weit hinter sich lassen wie nur irgend möglich.
Aber man suchte sich ja Krieg, Schmerz und Entsetzen nicht immer freiwillig aus, und ganz gewiss nicht den Tod. Musste darum ein Ritter nicht stets bereit sein, seine Pflicht zu tun und sich selbst und andere zu verteidigen? Das hatte Herr Deornoth gesagt, und der machte auf Simon nicht den Eindruck eines Mannes, der grundlos oder zum Vergnügen kämpfte. Und was hatte ihm Doktor Morgenes einmal über den großen Camaris erzählt? Dass er sein berühmtes Kriegshorn Cellian nicht blies, um Hilfe herbeizurufen oder Ruhm zu gewinnen, sondern damit seine Feinde wussten, dass er kam, und sich in Sicherheit bringen konnten. Immer wieder hatte Morgenes in seinem Buch darüber geschrieben, dass Camaris keine Freude an Schlachten hatte, dass ihm seine große Tüchtigkeit nur eine Bürde war, weil sie Kämpfer anlockte und ihn zum Töten zwang, ohne dass er es wollte. Das war ein Widerspruch in sich. So gut man auch war, immer gab es einen anderen, der das bewiesen haben wollte. Was war besser – sich auf den Krieg vorzubereiten oder ihm aus dem Weg zu gehen?
Von einem Ast fiel ein Schneeklumpen herunter, glitt, als sei er lebendig, an Simons dickem Schal vorbei und rutschte ihm ungehindert in den Nacken. Simon stieß vor Schreck ein ersticktes Quiekenaus und sah sich sofort um, ob jemand dieses unmännliche Geräusch bemerkt hatte. Aber niemand beachtete ihn. Die Aufmerksamkeit seiner Begleiter schien allein den silbergrauen Bergen und stachligen, dunklen Bäumen zu gelten.
Was also war besser? Vor dem Krieg zu fliehen oder sich Mühe zu geben, so stark zu werden, dass es niemand wagte anzugreifen? Morgenes hatte abgewiegelt und gesagt, das sei etwas, über das sich die Könige in schlechten Nächten den Kopf zerbrachen. Und als Simon sich über diese vage Antwort beschwerte, hatte der alte Mann nur traurig gelächelt.
»Allerdings ist diese Antwort unbefriedigend, Simon«, hatte der alte Mann gesagt. »So verhält es sich mit allen Antworten auf derartige Fragen. Gäbe es nämlich eindeutige Antworten, dann wäre die Welt so gebaut ein Dom – flacher Stein auf flachem Stein, rechter Winkel gepaart mit rechtem Winkel –, und alles wäre so fest und starr wie die Mauern von Sankt Sutrin.« Er hatte wie grüßend den Bierkrug gehoben. »Aber gäbe es in einer solchen Welt
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