Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
sich geben. Und trotzdem ergab es einen Sinn – es war mein eigener Wunsch, ich wollte reden und reden, damit alles, was das kalte Wesen in mir dachte, aus mir herausströmte und die Ghants es verstanden.«
»Welchen Inhalt hatten die Gedanken?«, fragte Cadrach. »Könnt Ihr Euch erinnern?«
Tiamaks Gesicht verdüsterte sich. »Zum Teil. Aber, wie gesagt, es waren keine Worte, und sie hatten so wenig Ähnlichkeit mit allem, was ich denke oder was Ihr denkt, dass es mir schwerfällt, selbst das wenige zu erklären, das ich noch weiß.« Er streckte eine Hand aus den Mantelfalten, um eine Schale Gelbwurzeltee entgegenzunehmen. »Es waren wirklich nur Erscheinungen, Bilder. Ich sah Ghants, die aus den Sümpfen in die Städte schwärmten, zu Tausenden und Abertausenden, wie Fliegen auf einem Zuckerknollenbaum. Sie taten nichts, sie … schwärmten nur. Und alle sangen mit ihren Summstimmen, immer dasselbe Lied – von Macht und Fressen und Unsterblichkeit.«
»Und das war es, was das … kalte Wesen ihnen verkündete?«, fragte Miriamel.
»Ich nehme es an. Ich sprach als Ghant, ich sah die Dinge mit ihren Augen – und auch das war grausig. Möge Er-der-stets-auf-Sand-tritt mich davor bewahren, das noch einmal zu erleben! Die Welt in ihren Augen ist voller Sprünge und Risse, und die einzigen Farben sind Blutrot und Teerschwarz. Und alles schimmert, als wäre es mit einer öligen Schmiere bedeckt oder man hätte die Augen voll Wasser. Und – und das ist am schwersten zu erklären – nichts hatte ein Gesicht – weder die anderen Ghants noch die Menschen, die schreiend aus den überfallenen Städten flohen. Alle Lebewesen waren nur … F-Fleischklumpen mit B-Beinen.«
Er verstummte und trank seinen Tee. Die Schale in seinen Händen zitterte.
»Das ist alles«, sagte er nach einer Weile und holte tief und bebend Atem. »Mir kam es wie Jahre vor, aber es können nur ein paar Tage gewesen sein.«
»Armer Tiamak«, sagte Miriamel voller Mitgefühl. »Wie seid Ihr nur bei Verstand geblieben!«
»Ich hätte ihn verloren, wenn Ihr nur einen Augenblick später gekommen wärt«, erklärte Tiamak bestimmt. »Dessen bin ich sicher. Ich fühlte schon, wie er immer dünner wurde und davonglitt, als hinge ich an den Fingerspitzen über einem tiefen Abgrund, einem Abgrund, in dem endlose Finsternis gähnte.« Er sah in seine Teeschale. »Wie viele andere Bewohner meines Dorfes außer Jüngerem Mogahib haben ihnen wohl noch gedient, ohne dass es eine Rettung für sie gab?«
»Da waren … Klumpen«, sagte Isgrimnur langsam. »Andere Klumpen, die in einer Reihe neben Euch standen – nur größer, und oben ragten keine Köpfe heraus. Ich sah sie ganz aus der Nähe.« Er zögerte. »Es waren … Gestalten unter dem weißen Schleim.«
»Sie müssen zu meinem Stamm gehört haben«, murmelte Tiamak. »Entsetzlich. Man hat sie verbraucht wie Kerzen, einen nach dem anderen.« Seine Züge erschlafften. »Entsetzlich.«
Eine Zeitlang herrschte Schweigen.
Endlich ergriff Miriamel wieder das Wort. »Ihr habt gesagt, die Ghants seien früher nie gefährlich gewesen.«
»Das stimmt auch. Obwohl ich jetzt überzeugt bin, dass sie nach meiner Abreise immerhin so gefährlich geworden sein müssen, dass die Dorfbewohner das Nest überfielen. Das erklärt auch, warum in Älterem Mogahibs Haus die Waffen fehlten. Und das, was Isgrimnur gesehen hat, zeigt uns ihr Schicksal.« Er schaute den anderen Wranna an. »Vermutlich war er der letzte der Gefangenen.«
»Aber was ich immer noch nicht begreife, ist die Sache mit dem Spiegel«, warf der Herzog ein. »Oder benutzen Ghants Spiegel?«
»Nein. Und sie stellen auch keine so kunstvollen Dinge her.« Tiamak schenkte dem Rimmersmann ein mattes Lächeln. »Ich begreife es auch nicht, Isgrimnur.«
Cadrach, der dem schweigenden Camaris gerade eine Schale Tee eingoss, drehte sich halb um. »Ich habe gewisse Vorstellungen, über die ich noch nachdenken muss. Eines aber steht fest: Wenn irgendeine Intelligenz diese Tiere lenkt oder zumindest gelegentlich beeinflusst, dann dürfen wir uns hier nicht länger aufhalten. Wir müssen so schnell wie möglich aus dem Wran fliehen.« Sein Ton war kalt,als spreche er von Dingen, die ihn selbst kaum angingen. Der abweisende Ausdruck seiner Augen missfiel Miriamel.
Isgrimnur nickte. »Ausnahmsweise hat der Mönch recht. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Aber Tiamak ist krank!«, entgegnete Miriamel zornig.
»Es hilft nichts, Herrin«, meinte dieser.
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