Das Geheimnis der Hebamme
mit Lukas zur Hütte des WildenMannes gekommen war, sprang erleichtert vom Pferd. »Ich geb’s ungern zu, aber wir haben uns ernsthaft Sorgen um dich gemacht.«
Er reichte Marthe ein paar Bündel. »Das schickt euch Elisabeth.«
»Wie geht es ihr?«, erkundigte sich Marthe.
»Es kann jeden Tag so weit sein, meint die alte Hebamme aus dem Nachbardorf. Aber ehrlich gesagt wäre ich ruhiger, wenn du bei ihr sein könntest, falls Christian dich schon entbehren kann. Es ist ihr erstes Kind, und ich mache mir Sorgen.«
Marthe sah fragend zu Christian.
»Kümmere dich um Elisabeth. Jetzt brauche ich eher Lukas’ Hilfe.«
Sie setzten sich vor die Hütte und packten die Köstlichkeiten aus, die Elisabeth ihnen geschickt hatte.
»Ist Randolf bei dir aufgetaucht?«, wollte Christian wissen.
»Natürlich – und wütend wieder abgezogen, als ich ihn rausgeworfen habe. So weit kommt es noch, dass einer mit gezogenem Schwert meine Halle betritt und meinen Verwalter bedroht.«
Doch dann wirkte Raimund bedrückt. »Ich musste Gero und Richard wieder nach Meißen schicken. Markgraf Dietrich und Hedwig werden dich unterstützen, wenn du vor Otto Gerechtigkeit forderst, aber dafür mussten wir ihnen versprechen, einen Beweis zu finden, dass Oda für den Löwen spioniert. Mich selbst erwartet Otto zurück, sobald das Kind geboren ist. Ich kann also nicht bei dir sein, wenn du dein Dorf zurückeroberst.«
In ungewohnter Heftigkeit sagte Raimund: »Ich hasse mich dafür, dich ausgerechnet jetzt im Stich zu lassen. Aber ich werde dir ein paar zuverlässige Leute mitgeben, die Besten, die ich habe.«
»Nein«, lehnte Christian sofort ab. »Wenn du dich, ohne eine Fehde erklärt zu haben, an dem Kampf gegen Randolf beteiligst, läufst du selbst Gefahr, geächtet zu werden. Das kann ich nicht zulassen.«
»Aber was willst du dann tun? Ganz abgesehen davon, dass du nicht in der Verfassung bist, allein gegen ein Dutzend Bewaffnete anzutreten und die Sache zu überleben. Selbst wenn du Beweise findest für Hartwigs Betrug – du kannst nicht einfach in Ottos Halle spazieren! Schon am Tor würden dich die Wachen erschlagen. Du bist vogelfrei!«
Christian schien das wenig zu bekümmern.
»Ich gelte als tot. Das sollte mir ein gewisses Überraschungsmoment sichern. Und ich werde mir wohl doch einen Bart stehen lassen, zumindest für die nächste Zeit. Wann ist das nächste Landding am Collmberg?«
Verblüfft sah Raimund auf. »Immerhin – es wäre eine Möglichkeit …«
Zum Landding trafen sich einmal im Vierteljahr die Edlen der Markgrafschaft, um unter freiem Himmel von Otto Rechtsstreitigkeiten schlichten zu lassen.
»In zwei Wochen.« Raimund fuhr fort. »Ich gebe dir meinen normannischen Helm. Mit Nasenschutz, Kettenhaube und Bart dürfte dich niemand auf Anhieb erkennen, weil keiner mit dir rechnet – außer Randolf. Wir müssen nur dafür sorgen, dass Otto einen Unbekannten vor sich treten lässt. Vielleicht hilft dir Markgraf Dietrich dabei.«
»Gibt es Nachricht aus meinem Dorf?«
Raimund nickte. »Ich habe gestern einen meiner Leute hingeschickt, der sich umhören sollte. Er war in der Schmiede, unter dem Vorwand, bei seinem Pferd habe sich unterwegs ein Eisen gelockert. Randolf rechnet natürlich mit deinem Auftauchen. Er hat Hartwig ein paar gut bewaffnete Leutezusätzlich geschickt, doch der macht sich vor Angst bald in die Hosen. Mit jedem Tag, der verstreicht, wächst ihre Hoffnung, du wärst doch noch an den Verletzungen oder am Fieber gestorben.«
»Wie geht es den Leuten im Dorf?«, wollte Christian wissen.
»Sie haben Angst. Der Schmied hat sich natürlich nur sehr vorsichtig geäußert. Wer will es ihm verdenken – sein ganzer Rücken ist verschorft und vernarbt. Aber die Leute flüstern sich heimlich Geschichten von deinen Taten zu. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geisterpferd …«
»Drago?«, riet Christian lächelnd.
»Ja. Du hast ihn freigelassen, nicht wahr? Jetzt taucht er immer wieder im Dorf oder am Waldrand auf, nie nahe genug, dass ihn jemand fangen könnte. Er steigt und schlägt aus und verschwindet dann wieder. Und irgendwer legt ihm immer wieder eine Portion Hafer zurecht, jeden Tag an einer anderen Stelle.«
»Kuno und Bertram«, entfuhr es Marthe.
»Die Leute im Dorf sagen, das Pferd wäre verwunschen und würde immer wieder auftauchen, bis dein Tod gerächt ist oder du zurückkehrst«, erzählte Raimund weiter. »Jedenfalls hast du Anhänger im Dorf, die immer noch zu dir
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