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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zog der Knappe los.
    Christian strich sich müde übers Gesicht. Der kurze Fußmarsch zum Fluss hatte ihn angestrengt. Aber was er jetzt vorhatte, wollte er keinen Augenblick länger aufschieben. Trotz der Schmerzen trat er vor die Tür, um nach Marthe Ausschau zu halten. Er fand sie anscheinend völlig in Gedanken versunken auf einer nahen Lichtung sitzend, die Hände um die angezogenen Knie geschlungen, das Gesicht in die Sonne gereckt, die an dieser Stelle durch das Blätterdach schien.
    Sie rührte sich nicht, als er sich näherte, obwohl sie seine Gegenwart spüren musste. Der Wald war zu gefährlich, um Schritte von Unbekannten zu ignorieren.
    Langsam trat er um sie herum und wartete, bis sie für einen winzigen Moment die Augen öffnete.
    »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte er.
    Sie stand auf, wie es die Höflichkeit gebot, und schwieg mit gesenkten Lidern.
    »Marthe. Willst du meine Frau werden?«, wiederholte er, ohne sich seine Anspannung anmerken zu lassen.
    »Ein Ritter kann keine Niedriggeborene heiraten. Das ist gegen Gottes Ordnung«, sagte sie schließlich.
    »Das ist mir gleich«, erwiderte Christian heftiger, als er wollte.
    Er griff nach ihren Schultern und zwang sie, ihn anzusehen.
    »Marthe – unser erster Kuss vor einem Jahr und der hier … Das hast du doch nicht nur aus Gehorsam getan? Du hastdoch nicht geglaubt, ich würde etwas von dir verlangen, was du mir nicht freiwillig schenken willst?«
    »Nein«, sagte sie nach einigem Zögern leise.
    Er trat einen Schritt zurück, lehnte sich gegen einen großen Findling und ergriff ihre Hände.
    »Wenn du es willst, verzichte ich auf Titel und Land und ziehe mit dir irgendwohin, wo uns keiner kennt. Ich könnte als Lohnkämpfer bei Turnieren unser Brot verdienen.«
    Sie schwieg immer noch, deshalb sprach er weiter.
    »Aber dann würden wir die Menschen in unserem Dorf für alle Zeit Randolfs Willkür ausliefern – Jonas und Emma, Karl und deine Ziehtöchter und die anderen. Das wirst du doch nicht wollen nach alldem, was du für sie und für mich getan hast!«
    Marthe schwieg weiter und blickte auf ihre nackten Füße.
    »Ich verdanke dir die Freiheit und das Leben. Aber es ist nicht Dankesschuld, wenn ich sage, dass es mir gleichgültig ist, ob unsere Hochzeit standesgemäß wäre oder nicht, falls ich meine Ehre wiedererlangen sollte. Ich will nicht länger ohne Liebe leben! Ich will nicht länger ohne dich leben!«
    Ihr hartnäckiges Schweigen ließ ihn fast verzweifeln. »Bin ich dir denn so zuwider? Kannst du dir gar nicht vorstellen, mich auch nur ein bisschen zu lieben?«
    Endlich sah Marthe ihn an. »Ihr seid mir nicht zuwider … Meine ganze Liebe gehört Euch … schon lange, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte«, flüsterte sie scheu. »Ich würde alles für Euch tun, auch ohne Hochzeit. Aber Ihr könnt mich unmöglich heiraten, wenn Ihr Euer Dorf zurückgewinnen wollt.«
    Vor Glück und Erleichterung musste Christian lachen. »Das soll deine geringste Sorge sein!«
    Er zog sie an sich und strich mit seinen Händen zärtlich über ihren Hals. Ein köstlicher Schauer lief durch ihren Körper,wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Sanft bedeckte er ihr Gesicht mit Küssen.
    »Ich will dich nicht als meine Gespielin, ich will dich als meine Ehefrau vor Gott und der Welt«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Seine Lippen glitten an ihrem Hals entlang zu ihren Schultern. Vorsichtig streifte er den Ausschnitt ihres Kleides zwei Finger breit beiseite, um sie auch dort zu küssen. Als er spürte, dass sie für einen winzigen Moment erstarrte, schob er den blauen Leinenstoff zurück an seinen Platz.
    Sie hatten Zeit.
    Er musste erst wieder zu Kräften kommen, und sie musste die Erinnerung an das überwinden, was andere Männer ihr angetan hatten. Er würde sie behutsam erobern müssen. Aber er würde um sie kämpfen, wie sie um ihn gekämpft hatte.
    »Hab keine Angst! Ich will, dass du glücklich bist.«
    »Das bin ich«, antwortete sie leise und wünschte sich, von ihm wieder so leidenschaftlich geküsst zu werden wie vor zwei Tagen. Christian schien ihre Gedanken zu lesen, und diesmal erwiderte sie seinen Kuss.
    Und während ihre Hände durch sein dunkles Haar fuhren, stieg ein so süßes Gefühl in ihr auf, dass sie zum ersten Mal etwas von jenen Freuden der Liebe zu ahnen begann, von denen ihr Emma so Unglaubliches erzählt hatte.

Die Nacht
     
    »Du bist wieder auf den Beinen! Gott sei gepriesen!«
    Raimund, der gemeinsam

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