Das Geheimnis der Hebamme
Entschluss. »Wenn Euer Gemahl und seine Freunde bis morgen Vormittag nicht hier eingetroffen sind, breche ich auf«, sagte er zu Elisabeth. »Irgendetwas wird mir schon einfallen, um Randolf auf den Zahn zu fühlen, selbst wenn mir das Ärger mit meinem Bruder einbringt. Aber nun kümmert Euch bitte um diesen flügellahmen Engel hier. Sie wird ihre Kraft noch brauchen!«
Zu aller Erleichterung trafen Raimund, Gero und Richard mit Lukas am nächsten Tag schon bald nach dem Frühmahl ein. Ihre Pferde waren verschwitzt, sie selbst wirkten übernächtigt und waren von oben bis unten mit Staub bedeckt.
Raimund hatte schon von weitem gesehen, dass er Besuch hatte. Doch als ihm aus dem Haus Markgraf Dietrich entgegentrat, sank er verwundert vor ihm auf ein Knie.
»Edler Herr, willkommen in meinem Haus«, begrüßte er den hohen Gast.
Dietrich bedeutete ihm aufzustehen. »Lasst uns die Zeit nicht mit Höflichkeiten vergeuden! Nach dem, was wir wissen, läuft die Zeit für Ritter Christian ab. Wir müssen uns also beeilen.«
Raimund sah seine Freunde verblüfft an. Wenn Marthe solcheinen mächtigen Verbündeten gewonnen hatte, musste sie wahre Wunder bewirkt haben. Was für ein Glück!
Der Markgraf erklärte seinen Plan. »Ich werde Randolf auffordern, mich mit seinem Gefolge zur Jagd zu begleiten. Ihr müsst dann unauffällig in die Burg gelangen und Christian aus den Verliesen holen. Über das Jagen in seinen Wäldern werde ich mich mit meinem Bruder schon einigen.«
Raimund und seine Freunde stimmten zu, erfreut über die unerwartete Hilfe.
»Ich erwarte dafür eine Gegenleistung«, bekundete der Markgraf.
»Was Ihr wünscht, Herr«, versicherte Raimund und verneigte sich knapp.
»Wenn Ihr Euren Freund befreit habt, geht zurück an den Hof meines Bruders und tut alles, um die Spionin des Löwen zu entlarven!«
»Das hatten wir ohnehin vor – schon aus Ergebenheit Markgraf Otto gegenüber.«
»Gut«, erwiderte Dietrich. »Auch deshalb sorge ich für das Ablenkungsmanöver. Randolf und seine Leute dürfen Euch nicht sehen oder erkennen. Ihr müsst davon ausgehen, dass er Euch sofort verdächtigen wird, wenn die Befreiung gelingt. Er kann zwar kein großes Geschrei deswegen erheben, denn offiziell ist Christian schon tot. Aber er wird ihn zuallererst bei Euch suchen.«
»Keine Sorge. Wir haben ein gutes Versteck.«
»Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren.«
Doch als die Männer nach einer kurzen Erfrischung und einem schnellen Mahl aufbrechen wollten, brach eine hitzige Kontroverse aus. Lukas bestand hartnäckig darauf, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen.
»Du hast deinen Anteil geleistet und dabei Großes erreicht. Aber selbst wenn wir uns heimlich in die Burg schleichen, müssen wir damit rechnen, dass es zum Blutvergießen kommt. Knappen haben dabei nichts zu suchen«, erklärte Raimund kategorisch.
Doch Lukas ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich habe das Waffenhandwerk bei Christian gelernt, dem besten Schwertkämpfer der ganzen Mark. Und er hat mir sein Schwert anvertraut. Also werde ich es auch benutzen, um ihn dort rauszuholen.«
Grimmig starrte er die drei Ritter an und überlegte, ob sie ihn wohl für seine Dreistigkeit bestrafen würden.
Währenddessen war Markgraf Dietrich zu ihnen getreten. »Wenn er für seinen Ritter so viel gewagt und erreicht hat wie diese Marthe, dann solltet Ihr ihn vielleicht wirklich mitnehmen«, mischte er sich in den Streit. »Wann soll deine Schwertleite sein?«, fragte er den Knappen.
»Pfingsten nächsten Jahres, Herr.«
Der Markgraf zog sein Schwert. »Komm und zeig, was du gelernt hast!«
Aufgeregtes Gemurmel ertönte unter den Leuten um sie herum.
Lukas schluckte und verwünschte für einen Moment seine Frechheit. Er sollte gegen einen so hohen Herrn antreten?
Dietrich stand in dem Ruf, ein hervorragender Schwertkämpfer zu sein, der sich nicht scheute, auch gegen einen überlegenen Gegner in den Kampf zu ziehen.
Doch dann nahm Lukas allen Mut zusammen. Schließlich hatte er den Ruf seines Herrn zu verteidigen – und dessen Leben, wenn er mit den anderen ziehen durfte.
»Wie Ihr wünscht, Herr. Es ist mir eine Ehre.« Er verneigte sich tief, trat näher und zog Christians Schwert.
Sofort sammelte sich eine Menge Schaulustiger. Niemand sagte diesmal etwas dagegen, dass auch das Gesinde die Arbeit liegen ließ. Ein Knappe trat mit dem Schwert gegen einen Markgrafen an – wann hatte jemand so etwas schon einmal gesehen?
Lukas warf
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