Das Geheimnis der italienischen Braut
dass sie noch erschien, wurde immer geringer.
Als ihm der Mitarbeiter am Abfertigungsschalter den Ausweis mit der Bordkarte zurückgab, verschwand auch das letzte Fünkchen Hoffnung. Kate blickte noch einmal zum Eingang und verzog dann leicht die Lippen.
Schließlich hatten sie auch die Sicherheitskontrolle hinter sich. Romano zwang sich, sich nicht umzudrehen. Er hatte jetzt etwas, was sein Leben lebenswert machte, eine Tochter, die vielleicht einmal seinen Namen tragen würde, und das bedeutete ihm plötzlich mehr, als er sich jemals hätte vorstellen können.
Während er Sue half, ihr Handgepäck vom Förderband zu nehmen, gab es hinter ihm ein Gedränge, was er zunächst ignorierte.
„Sehe ich so aus, als hätte ich Handgepäck bei mir?“, ertönte auf einmal eine ihm vertraute Stimme, und er wirbelte herum.
Jackie stand da und blickte die Mitarbeiterin an der Sicherheitskontrolle böse an. Allerdings sah sie anders aus als die Jackie, die er kannte. Zu den verwaschenen Jeans trug sie eine violette Fleecejacke. Sie hatte kein Make-up aufgetragen und das lange Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Und ihre Füße steckten in den lächerlichen Flipflops.
Kate stand wie erstarrt neben ihm, und Sue stellte sich wie schützend neben sie. Jackie gab es auf, ihren Pass und die Bordkarte hin und her zu schwenken. Als sie Romano, Kate und Sue erblickte, huschte zuerst ein Ausdruck von Erleichterung, dann von Frustration, Freude und schließlich von auch Panik über ihr Gesicht. In dem Moment winkte die Frau sie durch, und Jackie ging mit hoch erhobenem Kopf weiter.
Nur mühsam konnte Romano sich ein Lachen verbeißen, denn natürlich war er froh, dass sie doch noch gekommen war.
„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, sagte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich muss mit dir reden“, wandte sie sich dann an ihre Tochter.
Er spürte, wie angespannt Kate war, und ahnte, wie sehr sie sich nach einem netten Wort und einer Gefühlsäußerung ihrer Mutter sehnte. Doch sie hatte sich perfekt unter Kontrolle und wirkte in dem Augenblick genauso unzugänglich wie Jackie.
„Okay, ich höre.“ Kate verschränkte die Arme.
Jackie machte ein langes Gesicht. „Hier?“
Ihre Tochter presste die Lippen zusammen und nickte.
„Gut, dann eben hier.“ Jackie atmete tief durch.
Es gab so viel zu sagen, doch womit sollte sie anfangen? All die schönen Formulierungen, die Jackie sich auf der Fahrt im Taxi zurechtgelegt hatte, waren wie weggeblasen.
Auf einmal fiel ihr ein, wie Romano mit Kate geredet hatte. Auf Anhieb hatte er die richtigen Worte gefunden. Es kam offenbar nicht so sehr darauf an, was man sagte, sondern wie man es sagte. Am liebsten hätte sie ihre Tochter umarmt und ihre Hand genommen, aber Kates abweisende Haltung ließ sie zurückschrecken. Also würde sie ihr nur in die Augen sehen und ihr die ganze Wahrheit erzählen, ohne etwas zu beschönigen.
„Ich habe dir auch einen Namen gegeben“, begann sie. „Gleich nach deiner Geburt.“
„Wirklich?“ Kate blickte sie mit großen Augen an.
Jackie nickte heftig. „Ja, ich habe es allerdings niemandem verraten.“ Ihre Stimme klang unsicher, und sie war den Tränen nahe. Kate offenbar auch, denn Sue zog Papiertaschentücher aus ihrer Handtasche und verteilte sie.
„Ich wusste, dass ich …“ Jackie verstummte und hatte sekundenlang Mühe weiterzureden, ohne die Fassung zu verlieren. „Ich wusste, dass ich dich nicht behalten konnte.“ Nun vermochte sie die Tränen nicht mehr zurückzuhalten. Sie liefen ihr über die Wangen. Dennoch fuhr sie fort: „Allerdings fand ich es deinen Adoptiveltern gegenüber nicht fair, dir einen Vornamen zu geben, der ihnen vielleicht nicht gefiel. Deshalb habe ich geschwiegen.“ Zu ihrer Überraschung lächelte Sue sie warm und mitfühlend an, statt sie wie sonst nur scharf zu beobachten.
Kate machte einen Schritt auf Jackie zu, blieb jedoch sogleich wieder stehen. „Wie hast du mich denn genannt?“
Nun tat Jackie etwas, was sie noch nie zuvor gemacht hatte: Sie redete einfach drauflos.
„Als ich dich im Krankenhaus kurz nach deiner Geburt in den Armen hielt, forderte mich die Sozialarbeiterin auf, mich von dir zu verabschieden. Eigentlich war sie ganz nett, sie hatte jedoch schrecklich dicke Arme und roch nach Pfefferminz.“ Sie machte eine kurze Pause. „Entschuldige, ich rede dummes Zeug, aber ich erinnere mich an jede Kleinigkeit. Ich war erst sechzehn und
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