Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
Unterstützung der Verlust von zehntausend Piastern erspart geblieben ist?«, begann sie mit so lauter Stimme, dass alle Umstehenden, Croquignol eingeschlossen, zu Zeugen wurden. Ausnahmsweise war Wenji einmal fassungslos.
»Nun … das könnte … na ja, man könnte …«, stammelte er. »Ja, in gewisser Weise könnte man es so sagen, wenn dir daran liegt.«
»Mir liegt durchaus daran«, sprach Nina weiter und lächelte bis zu den Ohren. »Denn Sie sollten wissen, dass Sie die Gelegenheit haben – und auch das dank meiner tatkräftigen Unterstützung –, das ersparte Geld in etwas ganz Besonderes zu investieren.«
Sie wich einen Schritt zurück, neigte den Oberkörper und zeigte mit einer ausladenden Bewegung beider Hände wie ein Ansager auf der Theaterbühne auf Tam.
»Und zwar in einen Nobelpreis für Chemie!«
Vier Jahre …
Sie standen am steilen Ufer des Flusses der Düfte: Tam, Nina und die ganze Familie Teng. Paul d’Armand befand sich ein paar Schritte abseits neben einer geschlossenen Sänfte. Von Zeit zu Zeit schob eine Frauenhand die Vorhänge zur Seite, und man erkannte durch die Öffnung die Gesichter der Königin und des Kaisers.
Alle waren gekommen, um von Wenji Abschied zu nehmen. Der junge Mann war im Begriff, das Passagierschiff zu nehmen, das ihn nach Frankreich bringen würde. In der Mitte des Flusses ankerte der kleine Dampfer. An Bord befanden sich schon die Tante und die Mortons, mit Handschellen gefesselt.
Nina betrachtete das Schiff. Es war das gleiche, mit dem sie in Hué angekommen war.
»Es ist erst einen Monat her, aber es fühlt sich an wie ein ganzes Jahr!«, wunderte sie sich.
»Erstaunlich, oder? Vor allem, wenn man bedenkt, dass du in diesem Monat sechs Jahre jünger geworden bist«, amüsierte sich Tam. Sie zeigte auf das kurze Kleid mit Matrosenkragen, das Nina aus ihrem Koffer hervorgeholt hatte.
»Das ist nicht komisch«, brummte Nina vor sich hin. »Ich sehe lächerlich darin aus.«
»Aber deinem Vater gefällt es, und außerdem wird es Zeit, dass du deiner englischen Freundin ihre Kleider nachschickst.«
Nina betrachtete Miss Mellys großen Reisekoffer, der gerade von zwei Träger auf einen Sampan geladen wurde. Er würde mit dem gleichen Dampfer fahren. Richtung Saigon.
»Einverstanden«, gab Nina zu. »Aber das hindert mich nicht daran, all diesen hübschen Spitzen nachzutrauern. Ich hatte gerade begonnen, mich an sie zu gewöhnen.«
Jetzt kam Wenji auf sie zu. Nina war die Einzige, der er noch nicht Auf Wiedersehen gesagt hatte. Mit seiner Haarsträhne in der Stirn und seinem Panamahut in der Hand sah er sie verlegen und ausnahmsweise fast schüchtern an.
»Das steht dir besser«, sagte er und wies mit dem Kinn auf das Kleid mit dem Matrosenkragen.
»Ach ja? Finden Sie? Kein besonderes Kompliment. Ich habe das Gefühl, als wäre ich auf dem Weg in den Kindergarten.«
»Vielleicht, aber um durch Schlamm zu waten und durch Flüsse zu schwimmen, ist es praktischer.«
»Wollen Sie etwa andeuten, dass eine junge Dame solche Dinge üblicherweise nicht tut?«
»Keinswegs. ich wollte eher sagen, dass es auf der ganzen Welt nur eine Nina gibt, die solche Dinge wagt, und das, ohne dabei auch nur einen Hauch ihres Charmes einzubüßen.«
Nina spürte, wie ihr das Feuer in die Wangen stieg. Wenji war entschieden der einzige Mensch auf der Erde, der in der Lage war, sie so erröten zu lassen. Er sah aus, als würde er sich über sie lustig machen, und gleichzeitig sagte er Worte, die sie vor Glück zittern ließen.
Musste er wirklich ausgerechnet jetzt fortgehen? Jetzt, da sie gerade entdeckte, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein?
Wenji bemerkte Ninas Verwirrung, doch das brachte ihn nicht davon ab, ihr weiterhin tief in die Augen zu sehen. Wortlos beugte er sich zu ihr, immer näher, immer zärtlicher …
Einen Augenblick lang glaubte Nina, dass er seine Lippen sanft auf ihre legen würde, und sie schloss die Augen. Doch plötzlich richtete er sich wieder auf.
»Nein, Antoinette d’Armand. Trotz allem sind Sie noch keine junge Frau«, sagte er streng, um sich selber zu überzeugen. »Aber was halten Sie davon, die nächsten vier Jahre zu nutzen, ein kleines bisschen erwachsen zu werden? Das ist die Zeit, die ich in Paris bleibe.«
Ein Meer von Gefühlsregungen überwältigte Nina. War das ein Versprechen, das Wenji ihr da gab? Aber wenn ja: Was für ein eigenartiges Versprechen! Vier Jahre lang ohne ihn leben – das war gleichzeitig zu viel und zu
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