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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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war verwirrt und unerwartet bereit zuzugeben, dass er seit seiner Unterredung mit Robert Audley sehr besorgt gewesen sei. Jetzt aber sei er von Herzen froh und würde den Jungen, wann immer er auch nach England zurückkommen sollte, in seine Arme schließen.

    Harcourt Talboys hatte Robert Audley gebeten, nach Dorsetshire zu kommen. Jetzt war es Mitte April, als Robert Audley sich neuerlich unter jenen düsteren Fichten von Grange Heath einfand, wo er sein erstes Zusammen­treffen mit Clara Talboys gehabt hatte. Bei den Hecken gab es nun Primeln und frühe Veilchen. Und die Bäche, so hart und eisig wie Harcourt Talboys’ Herz bei seinem ersten Besuch, waren inzwischen aufgetaut und flossen im ­launenhaften Aprilsonnenschein vergnügt plätschernd unter den Schwarzdornbüschen dahin.
    Man hatte Robert in dem eckigen Haus ein einfach eingerichtetes Schlafzimmer und einen nüchternen Ankleide­raum zugewiesen. Jeden Morgen wachte Robert auf einer eisernen Sprungfedermatratze auf, die ihm stets das Gefühl vermittelte, auf einem Musikinstrument ­geschlafen zu haben. Nach einem spartanischen Frühstück ­machten sich Robert Audley und Mr Talboys in Begleitung von Clara zu einem Morgenspaziergang auf. Oft sprachen sie über George.
    Robert kannte Clara nun besser und wusste, dass sie eine der hochherzigsten und schönsten Frauen war, die ihm jemals begegnet waren. Aber musste sie tatsächlich erst noch entdecken, wie teuer sie dem Freund ihres Bruders war? Robert fragte sich mitunter, ob es möglich sei, dass die Liebe, die ihre bloße Gegenwart für ihn zu einer ­magischen Macht werden ließ, sich noch nicht bei ihr bemerkbar gemacht hatte. Hatte sie seine unbeabsichtigten Blicke oder das Zittern in seiner Stimme denn nicht bemerkt?
    Am Anfang waren sie förmlich miteinander umgegangen. Dann aber waren ihre Gespräche ungezwungen und freundlich geworden. Es war nach und nach eine ­herzliche Vertrautheit zwischen ihnen aufgekommen. Und noch bevor die ersten drei Wochen von Roberts Besuch ­verstrichen waren, hatte Miss Talboys ihn damit beglückt, dass sie sich seiner voll Ernsthaftigkeit angenommen hatte. Ausführliche Strafpredigten hatte sie ihm gehalten wegen seines sinnlosen Lebenswandels, den er so lange schon geführt hatte, und wegen des seltenen Gebrauchs, den er von den ihm gegebenen Talenten und gebotenen Möglichkeiten gemacht habe.
    Wie schön war es doch, von einer geliebten Frau eine Strafpredigt zu hören! Und wie wunderbar war es, so großartige Gelegenheiten geboten zu bekommen, bei denen er darauf anspielen konnte, dass er sich in der Tat bemüht haben würde, etwas anderes als nur ein müßiggängerischer Flaneur auf geebneten, ziellosen Wegen zu sein, wenn sein Leben doch nur einem höheren Zweck geweiht sein könnte. „Glauben Sie, ich kann Romane lesen und milden Tabak rauchen, bis ich siebzig bin, Miss ­Talboys?“, fragte er. „Glauben Sie nicht vielleicht doch, dass der Tag kommen wird, an dem meine Meerschaumpfeifen mir zuwider sein und die Romane mir dumm ­vorkommen ­werden? Ja, das Leben mir insgesamt so schrecklich ­eintönig sein wird, dass ich das Verlangen verspüren werde, mich davon auf die eine oder andere Weise abzuwenden? Einem neuen zu?“ Während sich der schein­heilige junge Advokat in dieser klein­mütigen Weise ausließ, hatte er bereits im Geiste die gesamten Besitztümer seiner Junggesellenzeit einschließlich aller Romane und einem halben Dutzend silberverzierter Meerschaum­pfeifen veräußert. Er hatte Mrs Maloney in Pension geschickt und zwei- oder dreitausend Pfund für den Erwerb von ein paar Morgen Land ausgegeben, um dort ein schmuckes Landhaus bauen zu lassen.
    Clara Talboys war natürlich weit davon entfernt, die Gedankenrichtung dieser scheinbar so trübsinnigen Klagen zu erkennen. Sie empfahl Mr Audley, ­Rechtsbücher zu studieren, gewissenhaft an seinen Beruf zu denken und überhaupt das Leben mit mehr Ernst anzugehen. Es war ein hartes, trockenes Dasein, das sie ihm empfahl, ein Leben mit Arbeit und stetem Fleiß. Er solle danach ­trachten, seinen Mitmenschen dienlich zu sein und für sich selbst einen guten Namen zu erringen.
    Ich würde das alles tun, dachte er, könnte ich mir der Belohnung für meine Mühe sicher sein.
    Er hatte nun schon bereits fünf Wochen in Grange Heath verbracht und empfand, dass er schicklicherweise nicht länger bleiben könne. Und so hatte er an einem ­schönen Morgen im Mai seinen Mantelsack gepackt und seine

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