Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
vorbeikommt.«
Störrisch verschränkte Kim die Arme vor der Brust. »Mir doch egal. Ich war sowieso dagegen, dass wir hierherkommen. Das hast du jetzt davon!«
»Kim, bitte!«
»Ich steige aus und schiebe«, erklärte Will und öffnete die Hintertür. Sie klemmte leicht, sodass er sich mit der Schulter dagegenstemmen musste, um sie ganz aufzubekommen.
»Du?« Kim bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. »Das schaffst du nie! Du bist doch noch ein Kind !«
»Wenn Mom den Motor zum Laufen bekommt und du mir beim Schieben hilfst, klappt es vielleicht«, entgegnete Will, ohne auf die Stichelei seiner Schwester einzugehen, die auf Streit aus war.
»Ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Mich hat niemand nach meiner Meinung gefragt, als es plötzlich hieß, dass wir nach Neuseeland auswandern. Ich wurde einfach in ein Flugzeug geschleppt und hierher verfrachtet. Jetzt seht auch selbst zu, wie ihr aus dem Schlamassel wieder rauskommt!«
»Kim, es reicht jetzt, okay?« Shelly seufzte. Auf eine Art konnte sie ihre Tochter sogar irgendwie verstehen. Kim hatte im Grunde überhaupt keine Chance gehabt, sich an den Gedanken zu gewöhnen, Kalifornien zu verlassen. Doch auchShelly war diese Entscheidung nicht leichtgefallen. Sie hatte ihre geliebte Arbeit als Tierärztin aufgeben und ihre Freunde und Bekannten in L. A. zurücklassen müssen. Sie kannte in Neuseeland doch auch keinen Menschen!
Aber wäre sie geblieben, hätte sie jeden Tag mit der Angst leben müssen, dass ihr zukünftiger Exmann plötzlich vor der Tür stehen und seine Drohungen wahr machen würde. Doch darüber konnte und wollte sie mit ihren Kindern nicht reden. Von daher war es nur natürlich, dass sie nicht verstanden, warum ihre Mutter sie einfach so von einem Tag auf den anderen aus ihrem gewohnten Umfeld riss.
Adrian … Noch immer konnte sie nicht fassen, was der Mann, der einmal ihre große Liebe gewesen war, ihr angetan hatte.
Ihr und ihren gemeinsamen Kindern …
»Jetzt geh und hilf deinem Bruder!«, forderte sie ihre Tochter auf, doch Kim reagierte lediglich mit einem Schulterzucken.
Kopfschüttelnd drehte Shelly den Zündschlüssel herum. Der Motor röchelte kurz, erstarb aber sofort wieder. Ihr brach der kalte Schweiß aus. Hoffentlich war bei dem Aufprall im Straßengraben nichts an der Mechanik des Wagens beschädigt worden. Sie wusste genau, dass sie niemals in der Lage sein würde, auch nur den kleinsten Fehler zu beheben. Um solche Dinge hatte sich Adrian immer gekümmert. Und wenn der mal nicht weiterwusste, war das Auto eben kurzerhand in die Werkstatt gegeben worden.
Bitte spring an! Lass mich jetzt nicht im Stich!
Beim zweiten Versuch gab sie während des Anlassens ein wenig Gas. Der Wagen heulte kurz auf, dann lief der Motor sanft schnurrend wie ein junges Kätzchen.
»Wenn du keine Lust hast, die kommende Nacht hier draußen im Nirgendwo zu verbringen, solltest du jetzt aussteigen und deinem Bruder beim Schieben helfen, junge Dame«, wandte sie sich erneut an Kim.
Die Aussicht auf eine Nacht unter freiem Himmel schien zu wirken. Die Vierzehnjährige zögerte kurz und wog die Alternativen gegeneinander ab. Schlussendlich kam sie dabei anscheinend zu dem Ergebnis, dass es das kleinere Übel war, der Bitte ihrer Mutter Folge zu leisten. Auch wenn das natürlich nicht ohne weiteres Maulen und Nörgeln vonstattenging.
»Seid ihr so weit?«
Kim und Will standen vor dem Wagen, die Hände auf die Motorhaube gestützt. »Alles klar, Mom«, rief Will. »Versuch mal, ein bisschen Gas zu geben.«
Ein Lächeln huschte über Shellys Gesicht. Obwohl er erst neun Jahre alt war, schien Will ganz automatisch die Männerrolle in der Familie übernommen zu haben. Er redete genauso wie sein Dad früher, damals, in glücklicheren Zeiten …
Rasch verscheuchte sie den Gedanken an Adrian. Er war nicht mehr Teil ihres Lebens, und er würde es nie wieder sein. Sie wäre niemals in der Lage, mit einem Verbrecher zusammenzuleben.
Ja, ein Verbrecher – nichts anderes war er. Als sie die Wahrheit durch einen dummen Zufall aufgedeckt hatte, war es ein schrecklicher Schock für sie gewesen. Sie hatte sich nicht leicht mit der Entscheidung getan, ihren Ehemann – den Vater ihrer Kinder – bei der Polizei anzuzeigen. Doch am Ende war ihr klar geworden, dass ihr gar keine Wahl blieb …
Sie atmete noch einmal tief durch, legte den Rückwärtsgang ein und drückte vorsichtig das Gaspedal herunter, während ihre rechte Hand über der Handbremse
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