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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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waren. Unerträglich heiß wurde es ihnen im Schein der gleißenden Sonne, heiß wie im Höllenfeuer, wie Zahra mit einem Anflug von äußerster Bitterkeit durch den Kopf schoss. Als sie die drückende Schwüle ebenso wenig mehr ertragen konnte wie den Blick auf den Haupteingang der Kirche, flüchtete sie mit Zubair in den Schatten des christlichen Gotteshauses, doch auch dort war die Luft kaum zu atmen. Dann endlich strömte Deborah zusammen mit den anderen frisch Getauften aus der Kirche. Hatte sie vorher noch tapfer und gefasst gewirkt, stand jetzt nur noch Angst und Abscheu, Ekel gar, in den großen, dunklen Augen. Zahra eilte zu ihr und wollte ihr den Arm um die Schulter legen, doch Deborah wich ihr aus und rannte zu einer nahe gelegenen Seitengasse. Zahra folgte ihr mit Zubair und sah, wie sich ihre Freundin in einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern zwängte. Als sie näher kam, merkte sie, dass sich Deborah erbrach.
    »Um Himmels willen, was hast du?«, rief sie erschrocken.
    Deborah würgte noch einen Schwall hervor, spuckte ein paarmal aus und sank erschöpft gegen die Hauswand.
    »Geht es wieder?«, fragte Zahra besorgt. »Willst du ein bisschen Wasser?«
    Sie wies auf die Zisterne des Kirchplatzes. Deborah nickte und spülte sich dort wieder und wieder den Mund aus. Dabei strömten ihr immer neue Tränen übers Gesicht.
    »Ich dachte, ich könnte dieses Fleisch Christi, wie sie es nennen, einfach im Mund behalten, bis alles vorbei ist, und später ausspucken, aber diese Hostie hat sich in meinem Mund aufgelöst, und irgendwann hatte ich so viel Spucke angesammelt, dass ich nicht anders konnte, als alles herunterzuschlucken!« Deborah schluchzte auf. »Ich wusste nicht, dass sie uns zwingen würden, diese Hostie zu nehmen, und ich verstehe nicht, wieso der Rabbi uns nicht wenigstens gewarnt hat!«
    »Du meine Güte, Deborah, leise, leise!« Zahra sah sich erschrocken um. Sie wusste von Erzählungen ihrer aus Kastilien stammenden, ehemals christlichen Mutter, dass den Christen die geweihten Hostien heilig waren, und ahnte, dass es ihnen gewiss nicht gefallen würde, dass eine frisch Getaufte diese Hostie vor lauter Ekel hervorwürgte und danach solche Worte von sich gab.
    »Deborah, glaub mir, ich fühle mit dir, und das mit ganzer Seele, aber wenn du hier mitten auf der Straße weiter solche Dinge von dir gibst, haben wir gleich die Büttel am Hals und enden noch heute in den Kerkern der Inquisition! Auch wenn es dir schwerfällt: Zumindest nach außen musst du die Christin spielen, sonst war alles umsonst! Denk an die armen Menschen von La Guardia. Du willst doch nicht enden wie sie!«
    »Oh Zahra, Zahra, das alles … es war so viel schrecklicher, als ich gedacht hatte!«
    Zubair warf ihnen einen warnenden Blick zu, denn nicht weit von ihnen stand ein christlicher Soldat, der sich mit einer alten Frau unterhielt und schon mehrmals zu ihnen gesehen hatte. »Ich denke, es wäre besser, wenn wir uns jetzt auf den Heimweg machen«, sagte er leise.
    Zahra nickte ihm zu und hakte Deborah unter.
    Zu Hause begann Deborah erneut zu weinen. »Zahra, ich … es war so grauenhaft und entwürdigend! Auf einige der Dinge, die wir sagen mussten, hatte uns der Rabbi vorbereitet, aber das, was sie dann noch zusätzlich von uns gefordert haben …« Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Mir war natürlich klar, dass wir ab jetzt den Schabbat und unsere Feste nicht mehr begehen dürfen, aber darüber hinaus haben sie uns gezwungen, überhaupt allem Jüdischen zu entsagen. Wenn man uns dabei antrifft, dass wir irgendeine der Regeln, die sie uns auferlegt haben, brechen, werden wir verbrannt oder gesteinigt oder mitsamt unserem Besitz in die ewige Sklaverei übergeben.«
    »Und genau deswegen habe ich dich vorhin auf dem Platz gewarnt, deine Worte abzuwägen!«
    »Ich weiß, Zahra, das weiß ich doch!« Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und ließ sie dann nur so weit herabgleiten, dass sie Zahra über die Fingerspitzen hinweg ansehen, den Mund aber weiter bedecken konnte.
    »Und dann mussten wir«, hauchte sie, »mussten wir auch noch unseren Oberrabbiner … verfluchen – und all unsere Ärzte, ach, Zahra, wir mussten sogar erbitten, dass, wenn wir rückfällig werden, auf uns und unsere Kinder all die Plagen fallen sollen, die Ägypten heimgesucht haben, und zur Abschreckung anderer möge uns zusätzlich das Schicksal von Dathan und Abiram treffen,

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