Das Geheimnis der Maurin
Sorgen, vor allem, weil wir noch immer nicht wissen, was es mit diesen seltsamen neuen Nachbarn auf sich hat, aber Raschid wird der Sache weiter nachgehen. Außerdem
muss
ich gehen. Alles andere wäre Befehlsverweigerung!«
»Du bist doch nicht in der Armee! Talavera ist Geistlicher, und … und …« Zu gern hätte Zahra ihm die Worte der alten Najah wiederholt, aber sie wusste, dass er sie nur ausgelacht und für verrückt erklärt hätte. Sie stöhnte auf. »Ach, Jaime, verdammt, und wenn du es nur Barbakan zuliebe tust, um den sich dann auch wieder niemand kümmern könnte!«
»Zahra, versteh doch, ich habe keine Wahl, und Barbakan werde ich mitnehmen. Nach wie vor traut sich niemand außer mir in seine Box – zu Recht, wie ich zugeben muss. Der Stallmeister würde mich verwünschen, wenn ich Barbakan im Stall zurückließe. Gerade gestern hat er gegen den Knecht ausgetreten, und das nur, weil der seinen Stall ausmisten wollte. Einzig bei Chalida ist er ebenso lammfromm wie bei mir.«
»Es wäre schön, wenn du meine Ängste ebenso ernst wie die des Stallmeisters nehmen könntest!«, gab Zahra ärgerlich zurück.
»Das tue ich, Zahra, glaub mir! Und jetzt mach nicht so ein Gesicht; es sind doch nur ein paar Tage!«
Zahra stieß einen Schwall Luft aus und drehte ihm den Rücken zu.
Zahra sah auch am nächsten Morgen keine Möglichkeit, ihn umzustimmen, und so steckte sie ihm lediglich heimlich einen blauen Stein in seine Geldkatze. Nach dem arabischen Glauben sollte dieser Schutzstein ihm helfen, unbeschadet nach Hause zu kommen. Als er dann tatsächlich die Haustür hinter sich ins Schloss zog, krampfte sich Zahras Herz vor Angst zusammen, und die Angst verließ sie in den nächsten Tagen auch nicht, sondern verfolgte sie wie ein klebriger Schatten.
Zahra versuchte, sich mit Arbeit abzulenken. Sie brachte den Kindern neue Lieder bei, fragte Abdarrahman die Suren ab, die er für die Koranschule auswendig lernen musste, und ließ sich am Nachmittag von Zainab dazu überreden, nach dem Tuchhändler zu schicken, damit er ihnen seine neuen Stoffe vorführte.
»Wenn wir jetzt hier wohnen bleiben, wird es Zeit, dass wir unsere Garderobe aufstocken«, hielt sie ihr vor, und Zahra musste ihr recht geben.
Als der Händler kam und sie schließlich sogar Deborah überredet hatten, sich seine Ware anzusehen, war Zahra der ganze Trubel auf einmal doch zu viel. Sie bat ihre Schwester, ein paar ihr passend erscheinende Stoffe für sie auszusuchen, und zog sich in ihr Zimmer zurück, wo sie wie eine eingesperrte Raubkatze ständig von einer Wand zur anderen und wieder zurück lief. Jaime, Jaime, pochte es in einem fort in ihrem Kopf, warum hast du nicht auf mich gehört? Ich weiß, dass du in Gefahr bist, ich weiß es!
Doch weder an diesem Abend noch an den nächsten Tagen kam ein Bote ins Haus, der schlechte Nachrichten für sie brachte, so dass Zahra allmählich ruhiger wurde – bis sie am vierten Tag nach Jaimes Abreise von ihrem Fenster aus auf einen jungen Burschen aufmerksam wurde, der sich vor ihrem Haus herumdrückte und in dem Chalida den Stallburschen aus dem königlichen Stall wiedererkannte. Zahra trug Zubair auf, den Burschen zu fragen, was er hier wolle.
Von ihrem Fensterplatz aus beobachtete sie, wie der Junge angesichts von Zubairs massiger Gestalt verschreckt zurückwich und Anstalten machte, davonzulaufen, doch als Zubairs Donnerstimme mit einem »Sofort kommst du wieder her!« auf ihn niederfuhr, blieb er augenblicklich stehen und drehte sich kleinlaut um. Als Zubair ihn zum zweiten Mal und überdies in recht barschem Ton fragte, was er hier zu suchen habe, stotterte der Junge, dass er den Herrn vom Stall her kenne und gehofft habe, ihn hier zu finden, allerdings nicht zu klopfen gewagt habe.
»Welchen Herrn?«, fragte Zubair zurück.
»Nun … Don Jaime«, erwiderte der Junge und schien noch kleiner zu werden. »Denn der … der wohnt hier doch, oder nicht?«
»Hol den Jungen ins Haus!«, rief Zahra von ihrem Fenster aus zur Straße herunter. »Ich will selbst mit ihm sprechen!«
Hastig hüllte sie sich in einen Hidschab und eilte nach unten.
Als Zubair mit dem Jungen in den Patio trat, erwartete sie sie schon und fragte den Jungen ohne langes Drumherumreden, warum er meinte, Jaime hier finden zu können. »Er ist vor vier Tagen weggeritten, um Talavera zu treffen, aber wenn du im Stall arbeitest, musst du das doch wissen, zumal er Barbakan mitgenommen hat.«
»Ja schon,
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