Das Geheimnis der Maurin
stattdessen ihren Brüsten widmete. Doch kaum spürte Zahra seine Finger an ihren Brustwarzen, entriss sich ihren Lungen ein schier endloses »Nein!«, und zugleich rammte sie ihre beiden Fäuste direkt in Ibrahims Gesicht. Der Schrei, der da aus Ibrahims Mund kam, übertönte nicht nur den Zahras bei weitem, er gehörte auch zu dem Grauenhaftesten, was Zahra je gehört hatte – und hatte absolut nichts Menschliches mehr an sich. Ibrahim schrie und jaulte zugleich, hielt sich die Hände vor die Augen, fiel von Zahra herunter und rollte sich vor Schmerzen auf dem Boden – und da erst wurde Zahra gewahr, was sie getan hatte: Sie hatte Ibrahim nicht nur einfach mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen, sie hatte ihm die Nägel, die sie immer noch in ihren Fäusten gehalten hatte, in die Augen gerammt. Steif vor Grauen starrte sie auf den sich windenden Mann und wich vor seinen Schreien und seinem blinden Um-sich-Schlagen zurück. Nur wenige Atemzüge später stürmte Ibrahims Bursche ins Zimmer und schlug wie von Geisterhand gesteuert der Länge nach hin. Erst später ging Zahra auf, dass Zainab ihm ein Bein gestellt haben musste. Und in der Sekunde, in der Omar stürzte, ließ sich Jaime, der sich – für Zahra völlig unverständlich – doch noch von seinen Fesseln hatte befreien können, auf Ibrahims Gehilfen fallen und drückte ihm die scharfkantige Seite des Truhenschlosses gegen den Hals. »Eine falsche Bewegung, und ich steche dich ab wie ein Schwein!«
Dem Entsetzen in seinem Blick nach zu urteilen, musste der Junge glauben, dass Jaime ihm ein Messer an den Hals hielt. Zitternd hob er eine Hand und flehte: »Bitte, tut mir nichts, ich … ich habe doch nur befolgt, wozu er mich gezwungen hat!«
Jaime zischte Zahra zu, dass sie Zainab losmachen solle. Hastig folgte Zahra seiner Aufforderung, kroch auf allen vieren zu ihrer Schwester, dröselte den Knoten auf und musste gleichzeitig immer wieder zu dem schreienden und heulenden Ibrahim sehen. Endlich fielen die Fesseln ihrer Schwester. Zainab half ihr, sich anzuziehen und den Riss ihrer Tunika mit einem großen Knoten zu verschließen, der ihre Blöße zumindest halbwegs bedeckte.
»Und jetzt raus, raus hier!«, trieb Jaime sie an. Zahras Blick ging zu Jaime, und sie begriff, dass er aufgrund seiner Verletzungen niemals allein auf die Füße kommen würde und noch viel weniger zugleich weiter Ibrahims Gehilfen unter Kontrolle halten könnte. Waffen, schoss es ihr durch den Kopf, wir brauchen richtige Waffen!
Sie rannte aus dem Zimmer, gelangte in die Küche, entdeckte auf dem Tisch einen kleinen Korb mit Messern und nahm die drei stattlichsten an sich. Zurück im Zimmer, verteilte sie sie an Zainab und Jaime. Nach einem einverständlichen Blick stellte sich Zainab vor Ibrahims Gehilfen und richtete ihr Messer auf dessen Hauptschlagader, und Zahra half Jaime, sich zu erheben.
»Und jetzt geh nach da hinten«, herrschte Jaime den Burschen an, als er endlich stand. »Na los, zurück mit dir, sage ich!«
Statt sich in Bewegung zu setzen, sackte der Junge heulend auf die Knie. »Bitte nicht, Herr, lasst mich nicht hier zurück!« Es war nicht schwer nachzuvollziehen, wovor es ihm graute: Es war Ibrahim, die Art seiner Verletzung und seine nicht enden wollenden Schreie.
»Ich … ich kann Euch helfen!«, haspelte Omar weiter. »Ja, wenn Ihr mich mitnehmt, helfe ich Euch, von hier wegzukommen!«
Nach einem Moment des Zögerns wies Jaime Zahra an, den Jungen zu fesseln. Zahra nahm das Seil, mit dem zuvor Zainab gefesselt war, und verschnürte Omars Hände auf seinem Rücken. Das Messer an seinen Hals drückend, wies sie ihn an, vor ihr in Richtung Küche zu gehen. »Aber langsam, ganz langsam!«, warnte sie ihn.
Hinter ihr ergriff Zainab die Gelegenheit, endlich die Tür zu schließen und abzusperren – und damit auch Ibrahims Geheul, das an ihrer aller Nerven gezerrt hatte, ein Stück weit zu dämpfen. Sich an der Wand abstützend, folgte Jaime ihnen und rief Omar zu: »Wo sind wir hier eigentlich?«
»Auf … auf einem Hof in der Vega, weniger als einen halben Tagesritt von Granada entfernt«, gab dieser eifrig Auskunft. »Das nächste Dorf ist nicht weit. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch ein Versteck zeigen und Hilfe holen!«
Zahra sah zu Jaime zurück, und erst in diesem Moment ging ihr auf, was Omar wohl schon länger bewusst gewesen war: Jaime war kaum in der Verfassung, eine längere Strecke zurückzulegen – aber hierbleiben konnten sie auch
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