Das Geheimnis der Maurin
nutzte ihn als Schiene und stabilisierte ihn mit einem Stück Stoff. Dann öffnete sie Jaimes Wams. Zahra stockte der Atem. Brust und Bauch waren übersät von Prellungen, auch eine gebrochene Rippe konnte sie ertasten. Einzig die Beine schienen mehr oder minder unversehrt.
Mit Zainabs Hilfe zog sie Jaime zu ihrer Matte, wo sie ihn zudeckte und seine Lippen mit Wasser befeuchtete. Anschließend riss Zahra ein Stück Stoff vom Saum ihrer Tunika und reinigte und kühlte die Platzwunden mit Wasser, was zu ihrem großen Kummer auch schon alles war, was sie für Jaime tun konnten. Danach senkte sie den Kopf auf seine Schulter und weinte stumm vor sich hin.
Als Omar, Ibrahims junger Helfer, ihnen die zweite Mahlzeit seit Jaimes Ankunft gebracht und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, stellte Zahra eine Regung bei Jaime fest. Sofort beugte sie sich über ihn. »Jaime? Jaime, hörst du mich?«
Ein feines Flattern durchlief seine Lider, wenig später öffnete er die Augen, so weit die Schwellungen es zuließen, und murmelte ein verwundertes »Zahra?«. Sogleich verlor er wieder das Bewusstsein.
Endlose Zeit schien zu vergehen, bis er wieder zu sich kam. Diesmal war er immerhin in der Lage, etwas zu trinken und Zahra auch ein paar Fragen zu beantworten. Sie erfuhr, dass man ihn in eine Falle gelockt und eingesperrt und dass Shihab und Ibrahim ihn nach einem Fluchtversuch genussvoll zusammengeschlagen hatten. Als Zahra ihm erklärte, dass Ibrahim auch hinter Chalidas Entführung steckte, stöhnte er auf. »Warum habe ich diesem verdammten Scheißkerl in Málaga auch nicht einfach die Kehle durchgeschnitten?«
Behutsam nahm Zahra das Tuch ab, das sie auf die Schwellungen seines Gesichts gelegt hatte, befeuchtete es neu und breitete es wieder aus. Jaime saugte zischend die Luft ein. »Herr im Himmel, tut das weh!«
Nur mit Zahras und Zainabs Hilfe gelang es ihm, sich aufzusetzen. Zahra brachte ihm etwas zu essen, doch das Kauen schmerzte so sehr, dass Jaime nur wenige Bissen zu sich nehmen konnte. Später berichtete Zahra ihm, was Ibrahim vorhatte. »Er wird … wird dich zwingen zuzusehen, und ich bitte dich, Jaime, lass es über dich ergehen, stell dir vor, es sei eine andere Frau, und setz dich nicht zur Wehr, sonst lässt er dich totschlagen!«
»Dann soll er mich eben totschlagen, tatenlos zusehen werde ich auf keinen Fall!«, brauste Jaime auf, wollte sich nun ganz aufsetzen, musste sich aber auf halber Strecke unter einem Schmerzensschrei zurücksinken lassen.
»Mein Gott, Jaime, geht es dir denn nicht in den Kopf, dass wir ihm völlig ausgeliefert sind? Und deswegen habe ich mir fest vorgenommen, ihm keinen Widerstand entgegenzusetzen. Das würde ihm doch nur noch gefallen! Wenn wir eine Überlebenschance haben wollen, müssen wir uns ihm fügen, Jaime! Darüber hinaus können wir nichts tun als beten, dass er wenigstens nicht auch noch Chalida in die Hände bekommt.«
»Raschid und Gonzalo suchen mit Sicherheit nach uns und werden unsere Familie spätestens seit Zainabs Verschwinden besonders schützen«, meinte Jaime und fluchte, weil ihn seine Verletzungen so hilflos machten. »Und hier gibt es gar nichts, womit wir Ibrahim überwältigen könnten?«
»Nein, außerdem hat er seine beiden Helfer anscheinend meist in der Nähe«, erwiderte Zainab schüchtern.
»Und die Truhe da?« Jaime wies mit dem Kinn zur Wand, wobei er schmerzhaft zusammenzuckte.
»Da waren die Matten und Decken drin, die du hier liegen siehst«, erklärte ihm Zahra. »Jetzt ist sie leer.«
»Und das Schloss?«
Zahra erhob sich und zog die Truhe näher heran, damit er das Schloss begutachten konnte. Es bestand aus einem gebogenen Stück Metall, das in eine darunterliegende Nut einhakte, und war mit dicken, breiten Nägeln in dem Holz befestigt, die im Inneren der Kiste seitlich umgeschlagen und dann ins Holz getrieben worden waren.
»Wenn wir das Schloss abbekämen, hätten wir zumindest etwas in den Händen«, meinte Jaime.
Mit vereinten Kräften versuchten Zahra und Zainab, die Einzelteile abzumontieren, aber mit nichts als ihren Händen und Fingernägeln war es ein hoffnungsloses Unterfangen. Schließlich fiel Zahras Blick auf ihren Löffel. Sie holte ihn vom Tisch, und in der Tat bekamen sie mit dessen Hilfe die Nägel aus ihrer Versenkung und konnten schließlich das Schloss entfernen. Danach hatten sie vier stattliche, leicht angerostete Nägel in Händen sowie das längliche, am oberen Ende recht scharfkantige
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