Das Geheimnis der Maurin
Metallteil des Verschlusses und das untere gebogene Teil.
Jaime drückte Zahra einen Nagel in jede Hand. »Ich weiß nicht, ob sie dir viel nutzen werden, aber behalte sie trotzdem von jetzt an ständig bei dir!«
Zahra nickte. Die beiden anderen Nägel reichte Jaime Zainab, das scharfkantige Metallteil behielt er selbst.
Die Nacht – das, was Zahra und Zainab aufgrund ihrer Essenszeiten für die Nacht hielten – schien Zahra endlos. Obwohl sie wusste, wie wichtig es für sie war, auszuruhen und Kraft für den nächsten Tag zu sammeln, konnte sie keinen Schlaf finden, und an dem unregelmäßigen Atem Jaimes hörte sie, dass es ihm nicht besser erging. Mit einem Mal merkte sie, wie er sich aufzurichten versuchte und sich sogleich stöhnend wieder zurücksinken ließ.
»Was hast du, Jaime? Kann ich dir helfen?«, flüsterte Zahra.
»Du musst mir aufhelfen«, keuchte er. »Ich muss mal.«
Als er seine Blase erleichtert hatte, sank er keuchend auf einen der Stühle.
»Willst du dich nicht lieber wieder hinlegen?«, fragte Zahra besorgt.
»Nein, nein, es geht schon. Außerdem bin ich viel zu unruhig, als dass ich die ganze Zeit nur daliegen könnte. Ich schwöre dir: So höllisch weh mir auch alles tut – die Schmerzen sind nichts gegen den Gedanken an das, was Ibrahim dir …« Statt den Satz zu beenden, biss er die Zähne zusammen und ließ die Faust auf den Tisch donnern.
Zahra wusste nicht, was sie sagen sollte. Auch ihr wurde beim Gedanken an den nächsten Tag der Hals eng, und ihr war bewusst, dass die Vorstellung, ihr nicht beistehen zu können, für ihn die Hölle sein musste. Als das Schweigen zwischen ihnen quälend zu werden begann, brummte Jaime, sie möge ihm helfen, ein paar Schritte zu gehen und sich dann wieder hinzulegen. Trotz Zahras Unterstützung keuchte Jaime bei jedem Schritt; es war die gebrochene Rippe, die ihn am meisten quälte. Sie half ihm, sich wieder hinzulegen. Als sie ihm die Decke über die Schulter zog, nahm Jaime ihre Hand, führte sie zu einem Kuss an seine Lippen und sah sie mit brennenden Augen an. »Wir … seit wir zurück in Granada sind, ist es nicht einfach gewesen, für uns beide nicht, und wenn wir jemals hier lebend herauskommen, möchte ich, dass wir mehr darauf achten, dass die Politik und die Religion nicht ständig neue Keile zwischen uns treiben! Ich … ich will dich nicht verlieren!«
»Aber ich dich doch auch nicht!«, erwiderte Zahra, küsste ihn vorsichtig auf den Mund und drückte ihr Gesicht dann weinend an seine Schulter. »Ich liebe dich, Jaime, ich liebe dich!«
Jaime strich ihr zärtlich über Haar und Gesicht, küsste sie erneut und bat sie, sich ganz nah zu ihm zu legen.
»Aber das wird dir weh tun!«
»Das ist derzeit meine geringste Sorge!«, gab Jaime mit einem schiefen Lächeln zurück, hob den Arm, damit sie sich an ihn kuscheln konnte – und unterdrückte trotz der Schmerzen, die sie ihm dabei unweigerlich zufügen musste, jedes Stöhnen.
Als das Türschloss zum ersten Mal an diesem Tag entriegelt wurde, fuhren die Blicke von Zahra, Zainab und Jaime wie auf Kommando hoch und trafen einander mit Entsetzen, aber es war nicht Ibrahim, sondern Omar. Als Zahra sah, mit welch unbeholfenen, verlegenen Gesten der Bursche ihnen das Essen hinstellte, ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass ihr dieser Gehilfe Ibrahims kaum weniger als Opfer vorkam als sie selbst. Seine Schüchternheit, die Schwierigkeiten, die er hatte, sie direkt anzusehen, und die Tatsache, dass er nie brutal zu ihnen gewesen war, ließen sie vermuten, dass er seine Rolle hier nicht freiwillig spielte, und sie fragte sich, ob sie ihn vielleicht auf ihre Seite ziehen könnten … Nachdenklich sah sie zu, wie der Bursche ihnen nach einem schwer zu lesenden Seitenblick auch noch eine Handvoll Äpfel neben ihr karges Essen hinlegte, Äpfel, an denen Blätter und ein Stück Ast hingen, geradezu, als hätte er sie eben erst eilig vom Baum abgemacht. Kaum war er gegangen, erhob sich Zahra, legte die Hand auf die Äpfel und fand sie in der Tat so warm, als hätten sie eben noch in der Sonne gehangen. Sollte er sie tatsächlich für sie gepflückt haben?
Die drei hatten kaum ein paar Bissen von dem trockenen Brot gegessen, als die Tür erneut aufgerissen wurde. Wiederum trat der junge Bursche herein, aber diesmal folgte ihm Ibrahim, und als Zahra sah, wie dieser sich mit Blick auf sie über die Lippen leckte, wusste sie, dass die Zeit des Aufschubs endgültig
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