Das Geheimnis der Mondsänger
stand Überraschung. Er starrte uns nach und hob halb die Hand, als wollte er mir zuwinken, doch dann wandte er sich wieder den Karten zu. Einer der Edelleute starrte mich ebenfalls an, und er beobachtete mich so ungeniert, daß ich ein paar Schritte hinter Maelen zurückblieb und seinen Blick erwiderte. Er wandte sich nicht ab, ob aus Trotz oder Neugier, das konnte ich nicht erkennen. Und ich wagte es nicht, an diesem Ort und zu dieser Zeit seine Gedanken auszuforschen.
Hinter dem Spielzelt reihten sich kleine Hütten aneinander – ich vermutete, daß es sich um die Behausungen der Leute handelte, die in den verschiedenen Vergnügungszelten arbeiteten. Fremdartige und ekelerregende Essensgerüche hingen in der Luft. Wir gingen an den Hütten vorbei zu einem ruhigeren Platz, wo die Karren der einfacheren Händler standen.
Und so erreichten wir wieder ein Zelt, aus dem uns ein widerlicher Gestank entgegenschlug. Ich hörte von Maelen abermals das katzenhafte Fauchen, als sie den silbernen Stab ausstreckte und den Eingangsvorhang zurückschlug. Es sah so aus, als scheue sie sich, den Stoff mit den Fingern anzurühren. Übelste Gerüche strömten uns entgegen, dazu hörte man ein Knurren, Bellen, Fauchen und Wimmern. Wir standen auf einer winzigen Fläche, umgeben von Käfigen, die alles andere als gepflegt waren und in denen armselige Kreaturen dahinsiechten.
Ein Tierhändler, dem es um nichts als um schnellen Gewinn ging …
Der Mann trat aus dem Schatten. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen, das sich jedoch nicht in seinen Augen widerspiegelte. Aber als er Maelen erkannte, war das Lächeln sofort ausgelöscht, und in seinen kalten Augen konnte ich einen Funken Haß lesen. Haß, unterdrückt von Furcht …
»Wo ist der Barsk?« Maelen verschwendete kein Wort der Begrüßung an den Mann, und ihre Frage kam hart wie ein Befehl.
»Barsk, Freesha? Welcher Mann würde im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einen lebenden Barsk mit sich führen? Er ist ein Teufel, ein Dämon des mondlosen Dunkels. Das weiß jeder.«
Maelen hatte eine horchende Haltung eingenommen, als könnte sie unter den vielen Lauten des Elends einen ganz bestimmten heraushören. Sie schenkte dem Händler keine Aufmerksamkeit mehr, sondern ging auf das Geräusch zu. Ich sah, wie der Haß in seinen Augen plötzlich über die Furcht siegte. Seine Hand fuhr an den Gürtel, und meine suchenden Gedanken entdeckten, daß er eine Waffe trug, ein merkwürdiges, geheimes und sehr tödliches Ding. Es war so klein, daß man es in der Handfläche verstecken konnte – kein Dolch, sondern eine gebogene Nadel mit Widerhaken, die mit einem tödlich wirkenden Gift präpariert waren.
Ob er das Ding in seinem Zorn benutzt hätte, weiß ich nicht. Er bekam jedenfalls keine Möglichkeit dazu. Der Betäubungsstrahler in meiner Hand, auf niedrigste Energie gestellt, lähmte seine Finger, als er nach der verborgenen Waffe griff. Er stolperte gegen einen seiner stinkenden Käfige und schrie auf, als der Gefangene darin sich gegen das Gitter warf und ihn zu fassen versuchte. Maelen drehte sich um und deutete mit ihrem Stab. Der Mann kauerte am Boden, die gelähmte Hand an den Körper gepreßt, und stammelte in hilfloser Wut.
Maelen beobachtete ihn kalt. »Narr, doppelter Narr! Willst du, daß ich dich des Friedensbruches anklage?«
Es war, als hatte sie ihm einen Eimer eiskalten Wassers ins Gesicht gegossen, so schnell waren die Zornflammen gelöscht. Er wußte, womit sie ihm drohte – mit Ächtung. Und auf Yiktor ist das die schlimmste aller Strafen.
Er kroch auf allen vieren zurück in den Schatten. Aber ich hielt es für klüger, ihn zu bewachen, und ich sagte es ihr auch.
Sie schüttelte den Kopf. »Es besteht kein Grund, diesen hier zu fürchten. Die Thassa kann man nicht betrügen – und das weiß dieser Parasit.« Sie sprach nicht verächtlich, eher wie jemand, der eine Tatsache feststellt.
So gingen wir durch einen Vorhang zu einem Raum, in dem sich noch mehr Käfige befanden. Der Gestank war hier schon beinahe schmerzhaft. Sie eilte zu einem der Gefängnisse, das ein wenig abseits stand.
Das Tier im Innern lag reglos da, und ich hielt es für tot, bis ich die zuckenden Atemzüge an den dürren Flanken erkannte.
»Der Karren da …« Sie kniete vor dem Käfig nieder und starrte das Tier aufmerksam an, während ihr Stab auf einen Wagen deutete. Ich holte das Gefährt heran.
Gemeinsam hoben wir den Käfig darauf und schoben ihn in den vorderen Teil des
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