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Das Geheimnis der Mondsänger

Das Geheimnis der Mondsänger

Titel: Das Geheimnis der Mondsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Osokuns Missetat ist der Körper des Fremden.«
    »Nein!« Ich hätte es vorhersehen müssen. Weshalb hatte ich mich der Logik so verschlossen?
    »Schwester, was willst du wirklich?« Orkamor hatte gefunden, was ich in der Dunkelheit zu verbergen suchte.
    »Ich schwöre es – beim Atem Molaster – ich wollte nicht…«
    Ich unterbrach mich, als ich mein Stammeln hörte, und versuchte mich zu beherrschen. Orkamor sah mich ruhig an und fragte:
    »Und hast du geglaubt, daß es so sein könnte, Schwester? Ich sage dir, nicht der Körper eines Menschen ist wichtig, sondern das, was darin steckt. Du kannst nicht einen leeren Rahmen füllen und erwarten, daß alles wie früher wird. Die Thassa vermögen viel, aber auch sie können die Toten nicht zum Leben erwecken.«
    »Ich wollte es doch nicht!« Ich wehrte mich gegen den Gedanken, der jetzt ans Licht gezerrt worden war. »Ich habe das Leben des Fremdlings gerettet – sie hätten ihn gnadenlos umgebracht.«
    »Und was hätte er gewählt, wenn man ihm alles klargemacht hätte?«
    »Das Leben. Die meisten von uns klammern sich daran.«
    »So willst du ihm jetzt das Leben unter neuen Bedingungen anbieten?«
    Ich konnte es, es war so einfach. Krip Vorlund war schockiert gewesen, als er sich im Körper des Barsks wiedergefunden hatte. Würde er zögern, wenn man ihm einen anderen menschlichen Körper anbot und ihm klarmachte, daß sein eigener Leib unwiderruflich verloren war? Unwiderruflich? Ich stemmte mich gegen die Verlockung.
    »Ich werde ihm keine Vorschläge machen, bis ich weiß, was mit seiner Hülle geschehen ist.«
    »Aber du wirst ihm jetzt Bescheid geben?«
    »Ich sage ihm nur, daß sein Körper noch nicht im Tal angelangt ist. Denn das könnte die Wahrheit sein.«
    »Wir wollen auf die Gnade Umphras hoffen. Ich schicke einen Boten den Westweg entlang. Wenn sie unterwegs sind, bereiten wir uns vor.«
    »Danke, Ältester Bruder. Erlaubst du, daß ich …«
    »Möchtest du das wirklich, Schwester?« Freundlichkeit und Mitgefühl erwärmten seine Stimme.
    Im Moment konnte ich mich nicht entscheiden. Hatte Orkamor recht? Sollte ich den im inneren Gemach nicht sehen, um mein Herz nicht zu quälen? Konnte ich meinem Wunsch noch widerstehen, wenn ich ihn gesehen hatte? »Nicht jetzt«, flüsterte ich.
    Orkamor hielt die Hand segnend hoch. »Du hast recht, Schwester. Möge Umphra dir Tapferkeit geben. Ich schicke den Boten los und wünsche dir einen traumlosen Schlaf.«
    Einen traumlosen Schlaf! Ein freundlicher Wunsch, dachte ich, als ich zum Wagen zurückkehrte, aber er galt nicht für mich. Der Fremdling wartete sicher auf Nachricht Und ich konnte ihm nur einen Teil der Wahrheit anbieten.
    Ich hatte mich nicht getäuscht. Er war verzweifelt, als ich ihm berichtete, daß Oskolds Gruppe noch nicht angekommen war. Es beruhigte ihn auch kaum, daß ein Bote zum Westweg geschickt werden sollte. Ich wagte es nicht, mich zu lange mit ihm zu unterhalten, da ich fürchtete, er könnte in meinen Gedanken die Wahrheit lesen. So schützte ich Müdigkeit vor und legte mich hin. Ich hörte, wie er sich unruhig in seinem Käfig hin und her wälzte.
    Der Morgen kam, und die Priester sangen vom Tempelturm das Dämmerungslied. Es klang nach Frieden und Hoffnung und richtete mich wieder auf.
    Ich versorgte das kleine Volk, und Krip Vorlund hielt sich immer in meiner Nähe auf. Ich merkte, daß er mich aufmerksam beobachtete.
    »Krip Vorlund …« Hier den Namen Jorth zu verwenden, hätte vielleicht sein Mißtrauen geweckt. »Heute vielleicht …«
    »Heute!« stimmte er eifrig zu. »Warst du schon einmal hier?«
    »Schon zweimal.« Was brachte mich dazu, ihm die Wahrheit zu sagen? »Hier ist einer, der mir nahesteht.«
    »Ein Thassa!« Er schien überrascht, und ich merkte, daß auch er mit Ehrfurcht unsere Rasse betrachtete.
    »Die Thassa teilen die Nöte der anderen Menschen«, sagte ich bitter. »Hast du geglaubt, wir seien unverletzlich?«
    »In gewisser Weise vielleicht schon«, gab er zu. »Obwohl mir klar sein mußte, daß es nicht so war. Aber ihr seid so ganz anders als die Yiktorier, und das verleitete mich zu dem Gedanken.«
    »Es gibt Gefahren, die nur für uns gelten, ebenso wie euch Sternwanderern ganz besondere Gefahren drohen.«
    »Und kann man nichts …?«
    »Nein!« unterbrach ich ihn. Ich konnte ihm nicht erklären, was mit dem anderen geschehen war. Es hätte ihn zu sehr an sein eigenes Geschick erinnert.
    Jene unter uns, die Sänger werden wollen, müssen sich

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