Das Geheimnis der Mondsänger
nicht erzählt. Es ist Sinnlosigkeit und Schwäche, die Schmerzen der Vergangenheit wieder ans Licht zu zerren. Aber wieder war ich voller Bewunderung für die Priester, die ihr Möglichstes für die Menschen ohne Hoffnung taten.
Gegen Mittag kam ich wieder in den Hof, in dem sich der Wagen befand. Meine Kleinen schliefen im Schatten eines Baumes, doch sie erhoben sich, als ich zu ihnen ging. Krip Vorlund war nicht bei ihnen. Und ich machte mir Sorgen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß Orkamor den ganzen Vormittag für ihn Zeit hatte.
Ich rief einen der Priester herbei, die uns mit Nahrung und Wasser versorgten. Aber er hatte den Barsk nicht gesehen und sagte mir, daß Orkamor meditiere und nicht gestört werden wolle.
Jetzt war ich ernstlich beunruhigt. Die Priester von Umphra würden zwar nie die Hand gegen ein Tier erheben, aber es gab genug Besucher, die beim plötzlichen Anblick eines Barsks unvernünftig reagieren könnten. Ich kehrte zum Wagen zurück, als ein Priester zweiten Ranges mit sorgenumwölkter Stirn näherkam.
»Freesha, hier ist die Botschaft vom Westweg, die der Geflügelte uns gesandt hat. Die Leute, die du suchst, haben nie das Stadttor durchquert.«
Ich dankte ihm mechanisch. Nur ein Teil meines Gehirns nahm seine Worte auf. Das Verschwinden Krip Vorlunds beschäftigte mich voll und ganz.
»Der Barsk …«, begann ich.
»Er war hier, als ich dich das erstemal suchte.« Der Priester sah sich verwundert um. »Ich sagte es sogar Bruder Ofkad, denn noch nie zuvor hatte ich einen Barsk gesehen, der sich willig von Menschen lenken ließ.«
»Wann war das, Bruder?«
»Zwei Glockenschläge vor Mittag.«
So lange schon! Ich wandte mich an Simmle und sprach kurz mit ihr. Sie bellte aufgeregt und lief zum Tor.
»Bruder, es scheint, daß mein Barsk fortgegangen ist. Ich muß ihn suchen.«
Ich hatte Vorlund beim Betreten des Tales vor den Fallen gewarnt, die hier für Fremde aufgestellt waren. Weshalb er den Tempel verlassen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen. Gewiß war nichts zwischen ihm und Orkamor vorgefallen, was ihn zu dieser Tat veranlassen konnte. Aber Simmle konnte seine Spur verfolgen. Wir erreichten das äußere Tempeltor, als ich jemanden rufen hörte. Ich drehte mich ungeduldig um. Es war der junge Priester, der den Gästehof betreute.
»Freesha, sie sagen, daß du den Barsk suchst.« »Ja.«
»Er kann noch nicht weit sein, denn er trank aus der Schale, als der Bote kam. Es ist merkwürdig …« Er zögerte. »Ja?« Meine Ungeduld war wie fortgeblasen.
»Es war – es war fast, als horchte der Barsk auf unsere Worte. Er bellte, als ich es bemerkte. Und als ich mich umdrehte, war er verschwunden.«
Konnte der Fremdling sie verstanden haben? Die Tempelpriester sprachen die Schriftsprache.
»Was hast du gesagt, als der Barsk zuhörte?«
Er sah an mir vorbei. »Er – der Ältere Bruder – fragte, wo du seist. Ich erzählte, daß du dich bei dem Beschützten in den inneren Gemächern aufhieltest. Wir – wir unterhielten uns über ihn. Und dann sagte der Ältere Bruder, daß du einen Befallenen erwartest, daß er aber nicht mehr kommen könnte. Als ich mich danach wieder umsah, war der Barsk verschwunden.«
Konnte Krip Vorlund so ungeduldig gewesen sein, daß er sich selbst auf die Suche machte? Aber weshalb war er dann nicht zu mir gekommen? Ich winkte Simmle. »Komm, Mädchen, such ihn!«
KRIP VORLUND
11
Ich lag am Boden und roch an dem lockeren Erdreich und den Pflanzenwurzeln. Kleine Tiere krochen hin und her, vollkommen mit ihren vielfältigen Aufgaben beschäftigt. Wie weit ich vom Tal entfernt war und wie lange sich der Weg noch erstreckte, das wußte ich nicht. Ich leckte an meinen wunden Pfoten. Ich war jetzt eher Jorth als Krip Vorlund.
Würde es überhaupt wieder einen Menschen namens Krip Vorlund geben? Die Priester von Umphra hatten berichtet, daß niemand auf das Tal zuritt. Weshalb hatte man mich dann hingebracht? Als ich das Gespräch der Priester hörte, war ein Verdacht in mir hochgestiegen, und ich sah meine Unterredung mit Orkamor nun in einem ganz anderen Licht.
Wir hatten von den Welten im All gesprochen, aber er wollte mehr von den Menschen erfahren, die solche Welten aufsuchten und zu Sternwanderern wurden. Ich war nun der Meinung, daß er erforschen wollte, aus welchem Holz ich geschnitzt war – ob ich mein Geschick, für immer als Barsk herumlaufen zu müssen, auch ertragen würde.
Als Maelen von dem Austausch gesprochen
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