Das Geheimnis der Mondsänger
würde uns jagen und umbringen. Man munkelt ohnehin zuviel – wie ich von dem Fremdling Gauk Slafid erfuhr. Er wollte mich mit seinem Wissen erpressen. Ob er es von Osokun oder anderen erhielt, konnte ich nicht erfahren. Unsere Alten suchen nach der Antwort. Es könnte sein, daß wir uns auf einem schmalen Pfad bewegen.«
»Es wird Krieg geben. Oskolds Nachbarn wenden sich gegen ihn. Gewinnt ihr nicht Zeit, wenn die Edelleute gegeneinander kämpfen?« Ich erzählte ihm, was die Boten gesagt und was ich in den Bergen gesehen hatte.
»Ja, seine Nachbarn sehen eine Möglichkeit, ihm Land abzujagen. Aber verstehst du nicht, wie gut er in einem solchen Falle eine Lügengeschichte über uns ausnützen könnte? Die Feinde würden sich von ihm abwenden und vereint auf die Thassa losgehen. Ich bin der Ansicht, daß Slafid sein Wissen nicht an Osokun weitergegeben hat, denn es wäre kostbarer als fremde Waffen gewesen. Osokun hätte das Volk unter seiner Führung zu einem ›heiligen Krieg‹ geeint.«
»Wenn ihr mich zurückverwandelt, verlasse ich den Planeten. Ich kann schwören, daß kein Mensch etwas von mir erfahren wird.«
Er sah mich ernst an. »Die Alten würden sich vergewissern, daß niemand spricht. Aber ich finde auch, daß wir dich so schnell wie möglich von Yiktor wegbringen sollten. Im Moment sind Osokun und seine Anhänger geächtet. Sie müssen sich von Raubzügen ernähren und haben alle anderen Bewohner gegen sich. Früher oder später findet sich eine Gruppe zusammen, welche die Geächteten verfolgt und erledigt. Ich weiß nicht, ob Oskold seinem Sohn helfen kann. Wenn es bekannt wird, dürfen ihn seine Vasallen sofort verlassen, da er seinen Treueeid gebrochen hat. Und Oskold hat genug mit den Invasoren zu tun.«
Ich nickte. »So warten wir also hier auf Maelen?« – »Ja.«
Wir schwiegen beide. Ich überlegte, ob Maelen etwas bei meinem Kapitän erreichen würde. Freie Handelsschiffer sind dem Neuen aufgeschlossen, aber diese Sache war so einmalig, daß sogar sie Zweifel haben konnten.
Die Zeit drängte. Ich hatte nichts als meine quälenden Gedanken. Malec konnte sich wenigstens mit seinen Tieren beschäftigen. Als er sich schließlich wieder zu mir setzte, fragte ich ihn: »Weshalb laufen die Thassa in Tiergestalt herum?«
Er sah mich an, und seine Augen brannten noch größer als sonst in seinem blassen Gesicht. »Warum wandert ihr ohne Heimat von Planet zu Planet? Es ist eine Lebensweise wie viele andere. Früher waren die Thassa wie die Menschen der Ebene. Dann kam ein Moment der Wahl, und man zeigte uns einen anderen Pfad, den wir erforschen konnten. Aber alles hat seinen Preis, und auch wir mußten ihn zahlen. Wir lösten uns von allem, was uns bis dahin sicher erschienen war. Wir verließen Heimat und Häuser und wurden zu ziellosen Wanderern. Die Leute der Ebene können nicht verstehen, weshalb wir nicht nach Reichtum streben. Deshalb gehen sie uns aus dem Weg. Und da sie hin und wieder ein wenig von den Dingen sahen, die wir durch unser neues Leben errungen hatten, hatten sie Ehrfurcht vor uns. Wir teilen das Leben anderer – wir können die Flügel der Vögel annehmen oder auf vier Beinen durch die Wälder und Berge streifen. Du kennst viele Welten, Sternwanderer, aber keine so gut, wie wir Thassa Yiktor und seine Lebewesen kennen.«
Malec schwieg. Er legte neues Holz auf das Feuer. Seine Gedanken waren jetzt abgeschirmt. Obwohl er nicht den verzückten Blick hatte, den ich damals bei Maelen gesehen hatte, spürte ich doch, daß er vollkommen in jenen anderen Zustand versunken war.
Der Nachtwind brachte mir viele Botschaften. Nach einiger Zeit ging ich in den Schatten hinter dem Camp. Viele der kleinen Tiere schliefen, aber andere hielten Wache. Ich wußte, daß sich niemand unbemerkt an das Lager heranschleichen konnte.
Maelen kam im Morgengrauen. Ich roch es, lange bevor ich die Wagenräder quietschen hörte. Malec kämpfte sich aus seiner Decke und stand auf. Ich gesellte mich zu ihm.
Sie sah mich zuerst an. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, einen Tadel vielleicht, weil ich das Tal verlassen hatte. Aber ihr Gesicht verriet nur Erschöpfung. Malec half ihr vom Sitz, und sie kletterte seufzend herunter. Vorher hatte ich sie immer stark gesehen. Nun war sie irgendwie verändert.
»Es sind Reiter in den Bergen«, sagte sie.
»Oskold wird belagert«, erwiderte Malec. »Aber komm jetzt …« Er führte sie zum Feuerplatz und schürte die kleinen Flammen, bis sie wieder
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