Das Geheimnis der Mondsänger
Ring um den Gefahrenpunkt bildeten. Ich beobachtete immer noch das Camp. Man hatte Osokun in Maelens Wagen gebracht und einen Mann bei ihm gelassen. Einer versorgte die Kasi, und die übrigen versteckten sich unter den Wagen. Nach einiger Zeit entfernte sich noch ein einzelner Reiter nach Westen – vermutlich ein Späher.
Ich wandte mich an Simmle. »Bleib hier – beobachte!«
Sie knurrte mit entblößten Fängen.
»Bleib hier – beobachte! Wache!« Ich sah ihr in die Augen. »Wache, bis Maelen kommt. Aber kämpfe nicht!«
Ihre Zustimmung kam schwach und verwischt. Ich konnte nur hoffen, daß sie auf ihrem Posten blieb.
Ich mußte nun dem Späher folgen. Ich machte einen weiten Umweg um das Camp, denn die Männer hatten sich bestimmt gefragt, wo die Käfiginsassen geblieben waren. Vermutlich waren sie auf der Hut vor Vierbeinern.
Als ich ein gutes Stück vom Lager entfernt war, lief ich in weiten Sprüngen dahin, die Nase dicht über dem Boden. Ich wollte den Späher etwas weiter entfernt vom Lager abfangen, so daß die anderen nichts davon merkten.
Aber so sehr ich suchte, ich konnte seine Spur nicht entdecken. Das war rätselhaft. Ich fragte auch einige der Tiere, die einen Ring ums Lager bildeten, ob sie ihn gesehen hatten. Doch ich erhielt negative Antworten.
Mir ging es vor allem darum, den Späher zu erwischen, da ich im Lager Verwirrung stiften wollte. Wenn der Mann nach gewisser Zeit nicht zurückkam, schickte man sicher eine Suchgruppe nach ihm aus, oder man floh sogar, weil man Gefahr witterte.
Ich kam an den Fluß und trank. Immer noch hatte ich keine Spur gefunden. Merkwürdig – so weit konnte er doch nicht entfernt sein.
Die Dämmerung setzte ein, und ich verließ mich vor allem auf meine Nase. Und dann kam mir die Erleuchtung. Unter den Spuren war immer wieder eine stark hervorgetreten – der Geruch des Kasi. Zuerst hatte ich nicht darauf geachtet, da die Reiter ja auf Kasi gekommen waren, doch nun untersuchte ich die Sache näher. Die Spuren rochen nach Kasi – doch es waren nicht die Hufspuren eines Kasi. Angenommen, ein Mann rieb sich mit Kasifett ein, weil er wußte, daß seine Verfolger sich hauptsächlich auf den Spürsinn verließen? Das mußte die Antwort sein.
Kasi – ich verfolgte nun diese Spur. Es wurde dunkel. Die Fährte führte nach Westen, hinaus auf offenes Land, wo man den Verfolger leicht sah. Ich setzte mich auf die Hinterpfoten und schickte meine Gedanken aus …
Die erste Antwort kam vom Norden. Dem Gedankenschema nach war es entweder Borba oder Vors.
»Einer riecht nach Kasi – ist es nicht. Wo?« fragte ich.
»Kein Kasi.« Die Antwort war bestimmt.
Wieder schickte ich die Frage aus und bekam eine schwache Antwort.
»Kasi – ja.«
Ich wandte mich nach Süden. Vielleicht war es eine falsche Spur, aber ich mußte sie überprüfen. Der Mann, den ich jagte, war ein Meisterspäher. Denn bald kam ich wieder an eine starke, unverkennbare Kasi-Spur. Und meine Befriedigung darüber war so groß, daß ich schnell im Dunkel dahinlief und nur meiner Nase folgte. Genau das hatte der Mann erwartet. Ich erkannte die Gefahr um Sekundenbruchteile zu spät.
Ein heftiger brennender Schmerz erfüllte plötzlich meine Nase, und der Schock war so groß, daß ich auf allen vieren hochsprang. Dann rieb ich die Nase in den Sand und versuchte vergeblich, den entsetzlichen Geruch loszuwerden. Meine Augen tränten.
Ich konnte nichts mehr riechen, außer dem Gestank, der überall an meinem Körper zu kleben schien. Und mir wurde so übel, daß ich hilflos am Boden lag und mich übergab.
Nach langer Zeit konnte ich wieder klarer denken. Der Verfolgte hatte entweder geahnt, daß jemand hinter ihm her war, oder er hatte eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme getroffen. Jedenfalls hatte er über seine Spur eine ekelerregende Flüssigkeit gegossen, die meinen so wichtigen Geruchssinn abtötete.
Meine Augen tränten immer noch, und meine Nase schmerzte. Aber ich konnte mich an die anderen wenden. Wieder schickte ich meinen Ruf aus. Aus der Nähe kamen gleich drei Antworten.
»Kasi – der kein Kasi ist – Mensch – abscheulicher Geruch …«
Und von weiter weg signalisierte mir Borba:
»Mensch kommt…«
Noch einmal rieb ich die Nase in den Sand. Meine Augen tränten nicht mehr. Ich lauerte hinter einem Felsblock. Der Späher Osokuns hatte vielleicht Pech, daß ich kein echter Barsk war, denn ich ließ mich durch den Schachzug nicht vollkommen ausschalten.
Er kam langsam näher,
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