Das Geheimnis der Mondsänger
spürte. Simmle achtete nicht auf ihre Umwelt, sondern kauerte immer noch haßerfüllt über ihrer Beute. Ich sprang hoch und warf mich gegen sie.
»Weg!« Ich strahlte diesen Gedanken mit voller Schärfe aus. »Weg da – komm!«
Ich hatte meine Fänge geöffnet und schnappte nach ihr. Sie war wie von Sinnen. Ein Pfeil blieb zitternd neben uns im Boden stecken. Wieder warf ich mich gegen Simmle.
Sie sah mich mit rotglühenden Augen an und knurrte, doch dann folgte sie mir. Ich rannte im Zickzack los und hoffte nur, daß sie das gleiche tun würde, denn die verborgenen Angreifer schossen immer noch.
Ich hatte keine Ahnung, wohin die anderen Tiere verschwunden waren, aber hin und wieder nahm ich ihre Gerüche auf.
»Weiter!« befahl ich Simmle. Sie hatte sich umgedreht und sah zum Lagerplatz hinüber. Ihr sonst so glattes Fell sträubte sich im Nacken, der Kopf war tief zwischen die Schultern gezogen, und ihre Schnauze war blutig. »Hinauf!«
Sie zögerte, doch dann lief sie los und führte den Weg durch das Unterholz an. Erst als wir ein gutes Stück über dem Camp waren, hielten wir an und sahen nach unten. Männer durchsuchten die Käfige und Wagen. Von Maelens Karren holten sie Kisten mit Nahrungsmitteln. Sie stürzten sich über die Weizenfladen und das getrocknete Fleisch, als hätten sie seit Wochen nichts mehr gegessen.
Malecs Leiche hatten sie unter einen Wagen geschoben. Zwei der Männer gingen zu den angepflockten Kasi, doch die Tiere schnaubten und schlugen aus.
Die Käfige lagen umgestoßen und zum Teil zerbrochen inmitten des Lagerplatzes.
Und dann ritt eine neue Gruppe ins Camp. Es waren drei Männer. Einer schien verwundet, denn die anderen mußten ihn stützen. Und nun sträubte sich mein Fell. Der Verletzte war der Mann, dem ich zuletzt in der Grenzfestung gegenübergestanden hatte. Es handelte sich also um Osokuns Geächtete, und ihr Anführer hatte sich vor kurzem eine Wunde geholt. Sein rechter Arm war bandagiert, und sein Gesicht wirkte blaß und verzerrt.
Die Männer wühlten alle Behältnisse durch. Sie hatten es vor allem auf Nahrungsmittel abgesehen, denn sie schlangen gierig hinunter, was sie fanden. Den Rest schoben sie in die Satteltaschen. Schließlich gingen einige nach Südwesten und holten ein paar böse zugerichtete Kasi. Die Tiere hinkten und waren erschöpft.
Osokun wurde von seinem Pferd gehoben und auf Maelens Couch gelegt, die man aus dem Wagen geholt hatte. Es schien, daß der junge Edelmann nicht mehr den Befehl über die Gruppe hatte. Ein anderer Mann rief die Leute zusammen und sagte ihnen etwas. Daraufhin machten sich die Plünderer daran, die Unordnung zu beseitigen. Malec wurde unter dem Wagen hervorgezerrt und in ein Dickicht getragen. Ich spürte, wie sich Simmle neben mir versteifte. Sie knurrte.
»Noch nicht«, beruhigte ich sie. »Noch nicht …«
Ich überdachte unsere Lage. Maelen war in aller Eile nach Yrjar aufgebrochen. Sie würde auch so schnell wie möglich wieder zurückkommen. Aber die Geächteten trafen keinerlei Anstalten zum Fortgehen.
Statt dessen räumten sie alle Kisten wieder in die Wagen und beseitigten die Spuren der Verwüstung. Einer richtete sogar die Käfige wieder auf und verriegelte sie. Das konnte nur eines bedeuten: Sie vermuteten, daß noch mehr Leute außer Malec zum Lager gehörten und wollten ihnen eine Falle stellen. Hatten sie gar Maelen verfolgt?
Ich schnüffelte. Viele der Gerüche waren mir vertraut. Das kleine Volk hielt sich in der Nähe des Camps auf. Ich konnte zehn oder zwölf verschiedene Losungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft erkennen. Ich versuchte sie mit meinen Gedanken zu erreichen und erschrak. Die Tiere hatten sich nicht nur vollständig in der Nähe versammelt, nein, sie waren zu einem ganz bestimmten Zweck vereint. Nicht fliehen wollten sie, sondern kämpfen.
»Nein!« Sie hörten nicht auf mich. »Nicht jetzt!« Ich sandte ein Bild ihrer Anführerin aus. »Maelen…« dachte ich. »Habt ihr Maelen vergessen?«
Simmle wimmerte ganz leise. Sie erinnerte sich. Aber konnte ich die anderen erreichen?
»Maelen – kommt bald.«
Fragende Gedanken.
»Bald. Die da unten warten auf Maelen.«
Ich spürte den Zorn, den ich von neuem in ihnen entfachte.
»Wir müssen Maelen finden – bevor sie hierherkommt!« Ich sandte Maelens Bild aus, so gut ich konnte. »Sucht Maelen!«
Und sie gehorchten. Sie rannten den Hang hinunter. Ich wußte, daß sie nicht auf das Lager zusteuerten, sondern einen weiten
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