Das Geheimnis der Mondsänger
einen Umhang aus Kasifell um die Schultern gehängt. Immer wieder blieb er stehen, um sich zu orientieren.
Vielleicht bellt ein Barsk, wenn er angreift. Ich sprang lautlos auf ihn zu. Doch als ich ihn tötete, war ich mehr Barsk als Mensch.
14
Hinterher wunderte ich mich, weshalb keine Schuldgefühle in mir hochkamen. Ich wußte, daß ich getötet hatte, aber es rührte mich kaum. Und ich bekam Angst, daß das Tier in mir stärker werden könnte, je länger ich im Körper des Barsks steckte.
»Tot – tot!« Aus den Büschen kamen zwei von Maelens Tieren, die ich auf dem Markt von Yrjar auf der Bühne bewundert hatte. Sie strahlten Befriedigung aus.
Ich sah auf den Toten hinunter. Überall um uns waren die Kampfspuren. Als ich sie betrachtete, kam mir eine neue Idee.
»Macht Fußspuren«, befahl ich den beiden, die zu mir gekommen waren. Ich grub meine Pfoten tief in den weichen Boden. Die beiden Tiere sahen mich überrascht an.
»Hinterlaßt Spuren – um die Menschen zu täuschen.« Ich konnte nicht sagen, ob sie meine Absicht verstanden hatten, aber sie gehorchten.
Nun konnten die Männer ihren Kameraden suchen. Sie würden sich wundern. Allem Anschein nach hatten drei Geschöpfe von verschiedener Rasse ihn zur Strecke gebracht. Das mußte sie in Angst versetzen.
Wir verließen den Kampfort. In der Frühdämmerung fanden wir eine Mulde mit einer kleinen Quelle und Felsen, unter denen wir uns verbergen konnten. Meine Gefährten und ich schliefen, aber es war ein leichter Schlaf. Soweit ich unsere Lage abschätzen konnte, befanden wir uns im Osten, irgendwo in der Gegend, die Maelen bei ihrer Rückkehr durchqueren mußte. Doch ich hatte keine Ahnung, wie bald sie kommen würde.
Es war ein merkwürdiger Tag – Wolken verschleierten die Sonne, doch nichts deutete auf Regen hin. Nur am Horizont stand leichter Dunst. Man hatte das Gefühl, daß irgend etwas Gefährliches und Bedeutendes geschah, aber man konnte es nur ahnen und nicht sehen. Und ich wünschte mir, daß wenigstens einer des kleinen Volkes Flügel hätte, um das Land besser zu durchforschen als wir.
Während des Tages stellte ich die Verbindung mit den anderen Tieren her und befahl ihnen, eine dichte Kette zu bilden, damit wir Maelen auf alle Fälle abfangen konnten. Simmle war wohl im Camp geblieben, wie ich es ihr befohlen hatte, denn von ihr kam keine Antwort.
Zweimal am Tage wagte ich mich ins offene Land hinaus und suchte verstohlen nach irgendwelchen Reitern. Einmal sah ich eine Gruppe, die auf die Berge zuhielt. Sie ritten unter der Flagge irgendeines Fürsten, und sie befanden sich weit im Süden. Ich wußte, daß sie keinen von uns sehen würden.
Als die Nacht hereinbrach, wuchs meine Ungeduld. Die Tiere suchten sich Nahrung, aber ich begnügte mich mit etwas Wasser, da ich mit meinem verdorbenen Geruchssinn nicht jagen wollte.
Gegen Mitternacht erhielt ich die Botschaft: »Jemand kommt!«
Nur eine einzige konnte diese Erregung in den Tieren wecken.
»Maelen!« Ich sandte den Ruf mit aller Kraft aus. »Ich komme.«
»Maelen! Bleib – Gefahr! Sag uns, wo du bist.«
»Hier …« Es war wie ein Signalfeuer. Wir liefen auf sie zu.
Sie saß im Mondlicht auf ihrem erschöpften Reittier. Im Gegensatz zum Tage war die Nacht klar, und das Licht der drei Ringe glühte am Himmel. Maelen hatte die Kapuze über die Stirn gezogen.
»Maelen – es ist viel geschehen.«
»Was?« Ihre Gedanken waren ein müdes Flüstern. Sie war völlig erschöpft und schien sich nur durch ihren Willen aufrecht zu halten.
»Maelen – was ist mit dir los? Hat man dich schlecht behandelt?«
»Nein, aber was gibt es hier?«
»Osokuns Männer haben das Camp überfallen.«
»Malec? Das kleine Volk?«
»Malec …« Ich zögerte und fand doch keine besseren Worte »… ist tot. Die anderen sind hier bei mir. Wir haben auf dich gewartet. Man hat das Camp in eine Falle für uns verwandelt.«
»So!« Alle Müdigkeit war wie weggeblasen. Das kleine Wort klang wie ein Peitschenhieb. »Wie viele sind es?«
»Vielleicht zwölf. Osokun ist verwundet, und ein anderer hat das Kommando übernommen.«
Für mich war Zorn immer eine heiße, wilde Flamme, aber die Welle der Erregung, die jetzt von Maelen ausstrahlte, war kalt, eiskalt und tödlich. Ich zuckte zusammen.
Das Mondlicht funkelte silbern auf ihrem Stab. Es blendete mich und machte mich schwindelig. Und sie sang, zuerst leise und dunkel, doch die Worte und Klänge drangen prickelnd ins Blut. Dann wurde
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