Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
gewesen wären und mich mit einem halbfertigen Wintergarten allein gelassen hätten, würde die Sonne längst hereinscheinen«, protestierte Holly. Billy war in ihrem Ansehen beträchtlich gestiegen, seitdem sie erfahren hatte, wie er Jocelyn damals vor ihrem Mann verteidigt hatte, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen.
»Das Warten lohnt sich«, sagte er mit sichtlichem Stolz.
»Und wann sind Sie fertig?«
»Ein paar Tage noch, dann haben wir es geschafft. Aber dann sind Sie mich noch nicht los. Dann kommt der Garten dran.«
»Tom hat Sie beauftragt, den Garten zu pflegen?«, rief Holly aus.
Billy schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Was bin ich für ein Esel. Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Ihr Mann wird ziemlich sauer werden, wenn er davon erfährt.«
»Na, der hat gut reden. Er sollte die Arbeit lieber selber machen. Aber wenn er schon in der Welt herumreisen muss und einen Haufen Geld verdient, können wir es ja wenigstens für ihn ausgeben«, seufzte Holly.
»Wann kommt der Chef denn nach Hause? Ich habe ihm schon tausendmal gesagt, dass er Sie nicht solange allein lassen soll. Sie brauchen einen Beschützer, ob Sie’s glauben oder nicht.«
»In ein paar Wochen ist er wieder da, aber nur für kurze Zeit. Danch soll es irgendwohin nach Südamerika gehen.«
Billy schüttelte bedächtig den Kopf, um seiner Empörung Ausdruck zu geben. »Warum begleiten Sie ihn eigentlich nicht auf seinen Reisen?«
»Alles schon erwogen, das können Sie mir glauben.« Hollys schlechtes Gewissen meldete sich wieder. Sie krümmte die Zehen in den Schuhen, um irgendwo Halt zu finden, aber der Boden bot nur knirschende, zertrümmerte Steinbrocken.
Tom fehlte ihr mehr den je. Billy hatte recht. Sie brauchte jemanden, der sie beschützte, und niemand war besser dafür geeignet als Tom. Doch Tom musste nicht wissen, womit sie sich herumschlug. Die Entscheidung, Libby aus ihrer Zukunft auszuradieren, war ihr Problem, nicht seins. Sie würde ihm erst im neuen Jahr davon erzählen, wenn er endgültig wieder zu Hause und der Zeitpunkt, mit Libby schwanger zu werden, überschritten war.
»Na ja. Sie wissen ja, wo Sie mich finden, wenn Sie Gesellschaft brauchen«, riss Billy sie aus ihren Gedanken. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie wirken irgendwie
verändert. Sie sollten öfter unter die Leute gehen. Es ist nicht gut, sich so zu verkriechen.«
»Ich gehe ins Dorf, ich habe Toms Eltern, und Jocelyn gibt’s ja auch noch. Außerdem telefoniere ich jeden Tag mit Tom.«
»Man kann auch in einem Raum voller Menschen einsam sein.«
»Sehr weise«, meinte Holly, die Billys plötzlicher Ernst betroffen stutzen ließ. »Ich werde es beherzigen.«
»Und wenn Sie das nächste Mal mit Ihrem Göttergatten sprechen, sagen Sie ihm, dass der glanzvollen Einweihungsfeier seines Wintergartens nichts mehr im Wege steht, wenn er nach Hause kommt.«
»Soll ich ihm auch sagen, dass dann der Garten fix und fertig ist?«
»Hm«, brummte Billy finster, aber dann grinste er. »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.«
Obwohl in der Teestube zu dieser Jahreszeit nicht gerade Hochbetrieb herrschte, war Jocelyn so beschäftigt wie selten. Wenn sie nicht arbeitete, hielten sie tausend andere Dinge auf Trab. Im ganzen Umkreis gab es kaum einen Ausschuss oder einen Wohltätigkeitsverein, in dem sie nicht Mitglied war. Außerdem war die Ernte in vollem Gange und ihr Terminkalender so voll, dass sie nicht einmal bei Holly zum gewohnten Sonntagsfrühstück erscheinen konnte. Dafür lud sie Holly kurzerhand in die Teestube ein. Holly hatte Billy im Verdacht, dass er Jocelyn seine Sorge über ihre seelische Verfassung mitgeteilt hatte, doch es half alles nichts, die Einladung konnte sie unmöglich ausschlagen.
Das Dorf wirkte so heiter und frisch wie die späte Septemberluft, das krasse Gegenteil zur staubigen Atmosphäre ihres Ateliers. Beschwingt schlug sie den Weg zur Teestube ein. Nur Tom fehlte, um das Vergnügen mit ihr zu teilen.
In einer Woche sollte er wieder zu Hause sein. Obwohl sie dank der Monduhr wusste, dass er unversehrt zurückkehren würde, machte sie sich Sorgen um ihn. Nach den Telefongesprächen hatte sie immer mehr den Eindruck, dass er verunsichert war. Er war mit Leib und Seele Journalist, aber auf die Tragödie, die sich in Haiti abspielte, war er nicht vorbereitet gewesen. Tom war zunehmend frustriert, wie wenig er als Reporter bewirken konnte.
Holly begriff allmählich, dass diese Reise für ihn
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