Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
mehr bedeutete, als irgendein beliebiger Auftrag. Sie würde sein Leben verändern, was mit Sicherheit Auswirkungen auf seine berufliche Laufbahn hatte. Obwohl sie auch in Toms Zukunft gesehen hatte, hatte sie sich bisher keine Gedanken gemacht, was mit ihm beruflich passieren könnte. Er würde, wie sie aus seinen Unterlagen im Arbeitszimmer entnommen hatte, Nachrichtenmoderator werden, aber sie hatte auch die Kommentare gesehen, die er an den Rand gekritzelt hatte. Und denen konnte man entnehmen, dass die Arbeit ihn nicht befriedigte. Sie verstand allmählich, warum.
Als Holly die Teestube betrat, musste sie die Sorgen um Tom erst mal auf sich beruhen lassen. Er war offenbar nicht der einzige Mensch, der auf andere einen unglücklichen Eindruck machte.
»Wir machen uns so unsere Gedanken, Holly«, sagte Jocelyn.
Sie hatten sich an einen Tisch in der Teestube gesetzt, in die zwischen dem Frühstücksrummel und dem Ansturm zur Mittagszeit eine kurze Phase der Ruhe eingekehrt war. Lisa war im Hintergrund in der Küche beschäftigt, und die wenigen anderen Gäste waren bereits mit Essen und Getränken versorgt. Durch die Teestube zog der einladende Duft frisch gebackener Croissants.
»Könnte es sein, dass du mit ›uns‹ zufällig dich und Billy meinst?«
»Wenn ein derart unsensibler Mensch wie Billy schon merkt, das irgendwas im Busch ist, dann muss man sich wirklich Sorgen machen«, erwiderte Jocelyn.
»Also, was mich bedrückt, ist doch kein Geheimnis zwischen uns beiden.« Holly pickte ein paar Krümel von einem Plundergebäck, das Jocelyn ihr ungefragt vorgesetzt hatte.
»Hast du dich jetzt entschieden, wie du vorgehen willst?« Nun war es Jocelyn, die bedrückt wirkte.
»Ich darf nicht schwanger werden, das ist mir schon klar, aber das ist nicht mal das Problem. Ich kriege die Dreimonatsspritze, die nächste ist im November fällig. Tom und ich hatten vereinbart, dass ich aufhöre zu verhüten und versuche, Ende des Jahres schwanger zu werden. Dank der Monduhr muss ich nur rechtzeitig zum Arzt gehen, oder?«
»Die Monduhr öffnet dir ein Fenster in die Zukunft, aber die Entscheidungen, die dein Leben auf den Kopf stellen, musst du selber treffen«, sagte Jocelyn. »Du trägst
eine große Verantwortung, wer wüsste das besser als ich, und ich stehe dir zur Seite, wenn du mich brauchst. Aber ich kann dir die Entscheidung nicht abnehmen. Ich will sie dir auch nicht abnehmen, schon gar nicht, wenn dein Leben auf dem Spiel steht.«
Holly wusste, das niemand außer Jocelyn wirklich nachvollziehen konnte, was sie durchmachte. Für Holly war es einfacher, ihre Entscheidung in die Tat umzusetzen, als für Jocelyn damals, aber die Last der Verantwortung war die gleiche. »Musstest du allein damit zurechtkommen? War der Gärtner der Einzige, der Bescheid wusste?«
»Mr Andrews wusste auch nicht alles. Ich schämte mich zu sehr, um ihm alle Einzelheiten der Vision zu erzählen. Lange behielt ich das Geheimnis meiner Zukunft für mich, aber schließlich weihte ich meine Schwester Beatrice ein. Sie half mir, wo sie konnte, letztlich lag es jedoch an mir, wie ich meine Zukunft gestaltete. Die Last hatte ich zu tragen, ich ganz allein.«
»Ich weiß, was du meinst, und ich will dich nicht zusätzlich belasten. Du willst nicht für den Tod eines anderen Menschen verantwortlich sein.« Holly errötete, als sie merkte, wie gedankenlos ihre Bemerkung in diesem Zusammenhang war.
»Ich will mein Gewissen nicht mit einem weiteren Tod belasten. Einer reicht.«
»Ich habe mir die ganze Woche das Hirn zermartert, wie ich bei diesem Handel mit der Monduhr meinen Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Sieh mich nicht so entsetzt an«, bat Holly, als sie Jocelyns erschrockene Miene sah. »Ich weiß, dass ich Libby nicht retten kann, ohne das
Leben eines anderen Menschen zu gefährden. Ich würde ja nicht nur mein Leben aufs Spiel setzen, sondern auch Toms Leben.«
»Deshalb kann ich dir hier nichts raten. So leid es mir tut, Holly, du musst dich selbst entscheiden und mit den Konsequenzen leben. Aber versuche nicht, Spielchen mit der Monduhr zu spielen. Bitte Holly, schon gar nicht, wenn du dabei mit Menschenleben spielst.«
»Hätte ich das verfluchte Ding doch bloß nie entdeckt!«
»Wenn es dir hilft, dein Leben zu retten, ist es ein Geschenk und kein Fluch, aber vergiss nicht, dass der Weg vorgezeichnet ist. Denk an den Regentropfen am Fenster«, sagte Jocelyn mit Nachdruck.
»Du meinst, es reicht nicht, rechtzeitig
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