Das Geheimnis der Perle
eine Frau wie Viola Somerset ihm überhaupt einen Blick gönnte.
Archer setzte sich auf und tastete nach seinen Kleidern. Schnell zog er sich an und schlüpfte aus dem Zimmer, ohne Tom zu wecken. Gestern Abend hatte er den Wirt gefragt, wo die reichsten Bürger der Stadt lebten. Der hatte ihm die Straße genannt, die aus der Stadt herausführte.
Als er nun die Straße entlangging, merkte er, dass Broome aus mehr als nur Chinatown bestand. Er ging an Bungalows vorbei, und als der Weg langsam anstieg, wurden die Häuser immer größer und luxuriöser. Archer wusste, dass sich hier die Perlenmeister niedergelassen hatten.
Er hatte genügend Zeit auf Schiffen verbracht, um zu wissen, dass er eigentlich kein Seemann war. Trotzdem wusste er den malerischen Charme dieser Küstenstadt zu schätzen.
Wenig später traf er auf einen Jungen. „Kannst du mir sagen, welches Haus Sebastian Somerset gehört?“
Verwirrt drehte der Junge die Handflächen nach oben,blieb aber stehen. Erst als Archer eine Münze herauszog, deutete der Junge auf das übernächste Haus. Dann hob er die Münze auf, die Archer in den Staub hatte fallen lassen.
Als Archer dann vor Somersets Haus stand, wurde ihm klar, dass er es auch gefunden hätte, ohne nachzufragen. Obwohl es sich nicht mit den Häusern der Reichen in Texas messen konnte, wirkte es im Vergleich zu den Nachbarhäusern wie ein Schloss.
Archer fragte sich, welches Leben die Tochter des Hauses wohl führte. Ob sie die Stadt liebte und sich weigern würde wegzugehen, ganz egal, wie groß die Verlockung auch sein mochte?
Als ob er sie durch seine Gedanken heraufbeschworen hätte, schwebte plötzlich eine Frau in Nachthemd anmutig über die Veranda, blieb stehen und sah hinunter auf den Garten.
Archer hielt die Luft an. Er wusste nicht, ob sie ihn auch sehen konnte. Einen Moment fürchtete er, sie wäre Sebastian Somersets Frau, doch dann sah er, dass sie jung war und schlank. Ein dicker, goldblonder Zopf hing über ihre Schulter, und unter dem weißen Nachthemd erkannte er ihre zarten Rundungen. Ihr Gesicht konnte er nicht klar erkennen, nur dass ihre Züge ebenmäßig und wohlgeformt waren. Sie lehnte sich gegen die Verandabrüstung und verschränkte die Arme.
Mit der Sonne, die sich wenig später hinter dem Horizont erhob, wurde es heller, und Vögel flogen kreischend auf.
Bei dem Geräusch drehte die Frau sich um und beugte sich über die Brüstung. Archer trat aus dem Schatten des Baumes und hielt grüßend eine Hand hoch. Sie ging zur Treppe und sah direkt zu ihm hinunter.
„Kenne ich Sie?“
„Noch nicht.“ Er bemühte sich um ein lässiges Grinsen.
„Ach ja? Und warum sollte sich das ändern?“
„Weil ich der Mann bin, der Sie heiraten wird.“
Seine Unverschämtheit schien sie nicht im Geringsten zu verwirren. „Ach, meinen Sie? Und warum?“
Archer spürte, dass Viola Somerset eine Frau war, die die Wahrheit hören wollte, um sich ihren nächsten Schritt überlegen zu können. Sie war keine scheue Unschuld. Sie würde alles tun, um sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen. Wenn er doch nur wüsste, was genau sie sich wünschte!
„Du wirst mich heiraten, weil wir aus dem gleichen Holz sind“, erwiderte er schließlich. „Ich will dich, weil du mir Vergnügen im Bett bereiten, Söhne schenken und obendrein einen reichen Schwiegervater präsentieren wirst. Und du willst mich, weil ich dir im Gegenzug das gebe, was du dir am meisten wünschst.“
„Und das wäre?“ Sie stieß sich nicht einmal daran, dass er sie für den Moment so vertraut angesprochen hatte.
„Tut mir leid, Prinzessin. So weit bin ich noch nicht.“
„Wie wollen Sie dann wissen, dass Sie mir meinen Wunsch erfüllen können?“
„Weil ich alles dafür geben würde, damit er in Erfüllung geht.“
Ihr Lachen klang hell wie eine Glocke. „Ich will weg aus Broome und nie wieder zurückkommen. Können Sie das bewerkstelligen?“
„Sobald ich in der Lage bin. Ich will das Gleiche.“
„Ich will aber einen begüterten Mann mit Eigentum. Haben Sie Grundbesitz?“
„Ich habe von nichts besonders viel, aber das wird sich ändern, und zwar bald.“
„Ach, wirklich?“ Ihr Ton wurde schärfer. „Kommen Sie wieder, falls das je der Fall sein sollte.“ Sie hob ihr Kinn und wandte sich zur Tür.
„Prinzessin?“
Sie sah ihn mit eiskaltem Blick über die Schulter an.
„Mein Name ist Archer Llewellyn. Sie können schon mal Brautwäsche besticken, während ich auf See bin.“
„Und ich
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