Das Geheimnis der Perle
stand, bis der alte Mann etwas aus dem Hintergrund rief.
Tom nahm seine Wäsche und ging davon, ohne sich nur ein Mal umzudrehen.
Archer hatte noch nie einen Job so sehr verachtet wie den auf der Odyssee. Vor ein paar Tagen waren sie mit ihrer eigenen Flotte Seemöwen im Schlepptau von Broome gestartet und hatten inzwischen die Gewässer erreicht, wo die Crew zuvor schon erfolgreich gewesen war.
Zunächst war die Ausbeute gering. Die Muscheln wurden über Nacht auf Deck ausgebreitet. Dann mussten Archerund Tom am nächsten Tag den Pflanzenbewuchs wegkratzen und mit einem scharfen Messer die Muscheln öffnen, ohne das Innere zu beschädigen. Am ersten Tag war es für Archer noch ein Abenteuer gewesen, die Austern zu öffnen und dann in der schleimigen Masse mit den Fingerspitzen nach einem versteckten Schatz zu suchen. Er könnte auf eine Perle stoßen, die nicht einmal so viel wert war wie die Zeit, die er brauchte, um sie herauszuholen. Oder eine große, perfekte Perle, die ihresgleichen suchte.
Nun, drei Wochen später hatten sie noch keine einzige Perle gefunden. Die Begeisterung war schnell verflogen. Jetzt war es für Archer nichts weiter als ein dreckiger, stinkender Job. Und wenn er nichts zu tun hatte, langweilte er sich zu Tode. Immer stärker spürte er, dass seine Träume dabei waren, sich in Luft aufzulösen.
Tom hingegen gefiel die Arbeit auf dem Boot. Und die Crew respektierte und mochte ihn. Auch jetzt hatten die Männer sich um ihn versammelt: Dank Juans Großzügigkeit durfte Tom seinen ersten Tauchgang machen.
Kurz sah Tom hoch und grinste. „Hey, Archer. Komm rüber und hilf mir.“
Archer wusste, dass Tom seine Hilfe nicht brauchte. Trotzdem schlenderte er zu ihm, weil es sonst nichts zu tun gab für ihn. „Willst du das wirklich machen?“
„Es ist so bestimmt“, meinte Bernard.
Alle anderen aus der Crew waren Fatalisten, nur Archer nicht. Er war der festen Überzeugung, dass ein Mann sein Schicksal selbst bestimmte. Doch er spürte, dass die Männer daran glaubten, Tom müsse sein Glück unter Wasser versuchen.
„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, es zu versuchen“, sagte Tom, dessen Oberkörper von Juan mit Flanell umwickelt wurde. Obwohl es an Deck brütend heiß war, würde es im Meer empfindlich kalt sein.
Archer würde lieber nackt durchs Feuer gehen, als eine Taucherausrüstung zu tragen, aber er behielt es für sich. Er wollte vor den anderen keine Schwäche eingestehen. „Aber treib dich nicht zu lange da unten herum“, sagte er grimmig.
„Es ist nicht gut, wenn er zu lange unten bleibt“, bekräftigte Juan. „Wir holen ihn bald wieder hoch, ob er will oder nicht.“
Juan gab Tom noch einmal Anweisungen, die er sich aufmerksam anhörte. Nachdem Bernard ein letztes Mal geprüft hatte, ob die Rettungsleine richtig am Taucheranzug angebracht war, nickte er.
Tom zögerte einen Moment, ehe er sich von der Leiter rückwärts in Wasser fallen ließ.
„Jetzt wird sich rausstellen, ob er alles gut behalten hat“, sagte Juan zu Archer.
Tom fuchtelte einen Moment mit den Armen herum, dann schien er sich zu entspannen. Schließlich tauchte er hinab ins Meer, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.
„Dein Freund ist ein echter Seemann“, meinte Juan. „Er gehört hier zu uns.“
Archer war der scharfe Unterton nicht entgangen. „Wahrscheinlich würdest du von mir nicht dasselbe sagen, was?“
Juan hob eine Braue. „Du suchst nach Perlen. Er sucht nach etwas Besserem.“ Damit ging er weiter zu Bernard, während Archer auf die Luftblasen starrte, die Tom auf der Oberfläche des Meeres hinterlassen hatte.
Der Abend an Bord der Odyssee war Tom die liebste Zeit. Nachdem die letzten Sonnenstrahlen verblasst waren und das Schiff träge auf den Wellen schaukelte, saßen die Männer auf ihren Plätzen an Deck und aßen Wong Fais Fischcurry mit Reis.
Tom lauschte gerne ihren Gesprächen. Besonders gerneunterhielt er sich jedoch mit Juan, einem gebildeten Mann, der Gedichte mochte und gut Gitarre spielte.
Am Abend nach seinem ersten Tauchgang setzte Juan sich neben Tom und bot ihm sein Stück Rindfleisch aus der Konservendose an, eine seltene Köstlichkeit auf See.
Lächelnd schüttelte Tom den Kopf. „Das kann ich nicht annehmen! Du brauchst das Fleisch selbst; du arbeitest hart.“
„Aber heute hast du auch hart gearbeitet. Nimm es ruhig.“
Tom bedankte sich. „Die Welt unten ist wirklich einzigartig, Juan.“
„Wie geht es deinen Ohren?“
Tom
Weitere Kostenlose Bücher