Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
er später Hilfe bei der Entführung des Kindes brauchen sollte, fänden sich bestimmt ein paar Fahrende Ritter oder irgendwelche Gauner, die er dafür dingen konnte. In umkämpften Gebieten wimmelte es schließlich von Gesindel aller Art, er brauchte sich niemanden mitzunehmen, der sich die Untat womöglich noch ritterlich schönreden musste.
Tatsächlich erreichte er sehr bald Bamberg und war auch geistesgegenwärtig genug, in Klöstern am Weg nach Pilgergruppen zu fragen, die dort in den letzten Wochen genächtigt hatten. Gleich in Ebrach wurde er dabei fündig. Eine Reisegesellschaft nach Tours, darunter mehrere Frauen. Es war nicht schwer, der Fährte des Herrn Martinus zu folgen. Herr Odemar und sein schnelles Pferd erreichten schon nach kürzester Zeit Paris und den Louvre. Der Ritter frohlockte, als er dort sehr bald von Herrn Martinus hörte. Der kleine Sterndeuter verdiente sich nach wie vor eine goldene Nase, indem er seine Dienste den Rittern des Königs anbot - und auch ihren Damen bereitwillig ihr Schicksal aus dem Lauf der Sterne las. Er hatte Quartier im Louvre bezogen, protegiert vom Hauptmann und wohl versorgt von seiner Martha. Die alte Dienerin hatte, beschwingt von Marias Fortgang, resolut die Herrschaft über seinen Haushalt an sich gerissen. Sie hielt Martinus besser vom Wein fern als jede Erscheinung des heiligen Martin und zählte glückselig das Geld, das er einnahm. Herr Leopold war tatsächlich in einer der Kathedralschulen angenommen worden, studierte voller Eifer und zog ansonsten den Kopf ein. Kein noch so strenger Lehrer konnte schlimmer sein als sein eigenwilliger Vater und seine zänkische Mutter.
Frau Martha war es denn auch, die Herrn Odemar haarklein die Geschichte des Baders Friderikus und seiner Frau Lindis erzählte - die sich dann wohl zum allseitigen Entsetzen als Juden entpuppt hatten. »Den Kerl haben sie verbrannt, heißt es, oder erschlagen, nachdem er einen Ritter getötet hat! Man stelle sich das vor, einen Ritter! Und sie, die Frau Lindis ... und die kleine Hure, die wir auch noch mitschleppten ... die haben sie irgendwie mitgenommen, sie schicken sie zum König ... werden wohl auch als Ketzerinnen brennen, die zwei, da in Vendôme!«
Odemar hörte sich ihren Sermon mit erzwungener Langmut an - wobei er durchaus glaubte, dass Salomon von Kronach einen Ritter im Schwertkampf hatte schlagen können. Ob man allerdings zwei enttarnte Judenweiber zum Verbrennen nach Vendôme schaffte, bezweifelte er. Da musste etwas anderes vorliegen ...
Aber auf jeden Fall war ihm Gerlin wieder mal entkommen! Der vierschrötige, bärenstärke Ritter hatte langsam das Gefühl, seiner Beute immer ein Stück hinterherzuhinken. Dann aber machte ihm eine Sitzung mit Herrn Martinus wieder Mut. Zweifellos lenkten die Sterne seinen Weg nach Vendôme, egal ob er dort Gerlin traf oder nicht. Der Sterndeuter riet ihm, sich zunächst dem Heer des französischen Königs anzuschließen und dann weiterzusehen. Schließlich ging es neben der Sache mit Gerlin auch um Ruhm und Ehre ... und so schwierig erschien es dem bayerischen Ritter nicht, Richard Plantagenet zurück ins Meer zu werfen ...
König Philipps Heer befand sich bereits in den Vorbereitungen zum Aufbruch, als Odemar das Hauptquartier des Königs ansteuerte. Es schien wenig geordnet, der Ritter wunderte sich, dass ihn niemand nach einer Losung fragte oder in anderer Weise kontrollierte, als er ins Lager einritt. Ein Herzog aus dem Umfeld des Königs, der als Marschall und stellvertretender Heerführer fungierte, hieß den neuen Ritter auf Seiten der Krone zwar herzlich willkommen, sparte sich aber alle Formalitäten bei seiner Aufnahme.
»Baut für heute Nacht einfach irgendwo Euer Zelt auf, aber macht Euch nicht zu heimisch, wir ziehen morgen ab«, beschied er Odemar. »Richtung Krondomäne - dort wird das weitere Vorgehen beschlossen. Der König wird Euch dann sicher auch zu sich bitten und persönlich über Eure Verwendung im Heer befinden. Fußsoldaten bringt Ihr nicht mit?«
Odemar schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Fahrender, Herzog, ein Lehen muss ich mir erst erwerben, bevor ich dem König Männer aus meinem Land stellen kann. Wenn ich allerdings ...«
Der Herzog nickte ungeduldig. »Ihr würdet Euch zweifellos als treuer Lehnsmann erweisen ... man wird sehen, Ihr werdet sicher noch ausreichend Gelegenheit haben, dem König Eure Kampfkraft und Tapferkeit zu zeigen. Aber nun reiht Euch erst mal irgendwo ein, wir haben es eilig,
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