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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Kind zu haben.
    In den ersten Monaten jammerte es noch manchmal nach einer warmen Haut. Aber niemand kam, um es zu trösten. Und später lag es Stunde um Stunde auf seiner Decke, starrte in die absolute Dunkelheit seines Raumes und lauschte auf die Geräusche, die von außen zu ihm hereindrangen. Da waren Stimmen. Es lernte, sie zu unterscheiden in weich und warm, in hell und dunkel. Da waren Schritte. Leichte und eilige, feste und schnelle.
    Dann wieder war es außen völlig still. Schon im ersten Jahr erkannte das Kind, daß es einen gleichbleibenden Rhythmus gab. Eine Zeit der Stimmen und der Schritte, in der die Frau mehrmals den Eingang seines Raumes öffnete, Nahrung brachte und den Schmutz entfernte. Und eine Zeit der Stille, in der niemand kam.
    Das Kind richtete sein Dasein nach diesem Rhythmus aus. In der stillen Zeit schlief es, in der Zeit der Stimmen wartete und horchte es. Auch diese Zeit ließ sich in einen gleichbleibenden Rhythmus einteilen. Der begann mit den leichten Schritten der Frau. Dann wurde der Eingang geöffnet. Die Frau brachte Nahrung und säuberte das Kind. Wenn der Eingang sich dann wieder hinter ihr geschlossen hatte, kamen bald darauf eilige Schritte. Die warme und die weiche Stimme sprachen miteinander. Wenig später kamen die festen Schritte, und die dunkle Stimme sprach mit der weichen oder der warmen. Dann kam ein Geräusch wie ein tiefes Brummen, das sich rasch entfernte. Dann kamen schnelle Schritte und helle Stimmen, und alles vermischte sich. Und irgendwo klang ein schwermütig melodisches Geräusch auf, das nicht mehr vergehen wollte.
    Dann kam die Frau wieder, brachte Nahrung und säuberte das Kind. Und später kam sie noch einmal, und danach begann die Zeit der Stille. So verging das erste Jahr. Dann gab es eine Veränderung. Außen war es bereits seit einer Weile still, als sich die leichten Schritte der Frau dem Eingang näherten. Er wurde geöffnet, aber es fiel nicht wie sonst ein gelbes Viereck auf den Boden. Es zeichnete sich auch kein Schatten ab. Da fürchtete das Kind sich ein wenig, starrte wie gebannt in die Dunkelheit und lauschte. Beim Eingang waren schwache Geräusche, ein Rascheln von Stoff, so wie es entstand, wenn die Frau sich näherte. Dann kam ein festes, rundes Licht, das sich langsam über den Boden zu ihm hintastete. Und die weiche Stimme der Frau flüsterte:
    »Schläfst du schon, Püppchen.«
    Das runde Licht glitt über sein Gesicht. Geblendet kniff das Kind die Augen zusammen. Die Schritte der Frau kamen näher. Ihre Hände griffen nach ihm, hoben es auf und trugen es in einen anderen Raum. Er war nicht gar so finster wie der, in dem das Kind lebte. Und seine Augen, auf völlige Dunkelheit eingestellt, sahen jede Einzelheit im Gesicht der Frau. Und jede Einzelheit prägte sich ihm ein. Die Frau legte es auf eine große, warme Unterlage. Sie legte sich selbst dazu und zog das Kind dicht an sich.
    »Du mußt ganz still sein, Püppchen« , sagte sie.
    »Es darf uns niemand hören.«
    Dann streifte sie mit den Lippen über seine Wange. Es fühlte den weichen Körper, roch den Duft, der davon ausging. Vor lauter Wohlbehagen schob es den Daumen in den Mund, drückte sich fest gegen die Frau und schloß die Augen. Und es lag ganz still, bis vor dem Fenster ein graues Licht aufkam. Da erst brachte die Frau es zurück in seinen Raum. Den Eingang ließ sie noch für einen Augenblick offen. Sie ging ein paar Schritte, kam gleich zurück und stellte ihm die Flasche mit warmer, süßer Milch hin.
    »Versuch es einmal alleine«, sagte sie,  »ich habe keine Zeit mehr. Sie sind schon wach.«
    Das Kind verstand die Worte nicht, hörte nur den drängenden Ton ihrer Stimme. Sie drückte ihm die Flasche in beide Hände, zeigte ihm noch, wie es sie halten mußte, ehe sie eilig verschwand. Außen kamen die gewohnten Geräusche auf. Das Kind lag ganz still. Nachdem es die Flasche geleert hatte, schlief es ein. Und zur gewohnten Zeit kam die Frau wieder, stellte das unruhige Licht auf den Boden, hockte sich daneben, nahm das Kind auf den Schoß und fütterte es mit Gemüsebrei. Sie war in Eile, nahm sich nicht die Zeit, es zu säubern, verschwand gleich wieder, nachdem der Teller geleert war. Später brachte sie ihm noch einmal eine gefüllte Milchflasche und ein rundes Gefäß mit warmem Wasser. Sie wusch das Kind, strich einmal kurz über seine Wange und sagte:

    »Heute kann ich dich nicht holen. Das geht nicht immer .«
    Das Kind schaute ihr nach, als sie mit dem

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