Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
unterschiedlichen Tariqa , der unterschiedlichen Wege kennen, Rumis tanzende Derwische und Naqschbandiyya , aber auch Fakire, Buddhisten, Hindus, Leute, die sich jina, Sieger, nannten, insgesamt zu viele, als dass er alle benennen könnte. Irgendwann war er auf Erzählungen über die fidawijja gestoßen, die man auch Assassinen nannte, furchtlose Männer, die die Welt beherrschen wollten und dafür kein Opfer scheuten. Sie hatten in einzigartiger Weise Techniken der Beeinflussung und der Macht gesammelt. Doch ihre beeindruckendste Fähigkeit war ihnen von den Rosenkreuzern gestohlen worden, die isra’ , die Möglich keit, mit jedem Menschen über alle Distanzen hinweg zu kommunizieren und außerkörperlich zu reisen.
»Da bist du einfach falsch unterrichtet. Die fidawijja haben diese Fertigkeit niemals erlernt, weil Christian Rosenkreuz sie von den Weisen von Damcar erworben und den fidawijja nicht ausgeliefert hat«, wandte Marta ein.
»Woher weißt du das?«, bellte Hasan sie an.
Marta schmunzelte.
»Sei es, wie es will, jetzt wirst du uns dein Wissen darüber jedenfalls ausliefern!« Hasan funkelte sie an.
Marta hielt seinem Blick stand. Ihre Miene war undurchdringlich. »Wozu brauchst du diese Fähigkeit?«, fragte Marta.
Hasan lächelte schief. »Errätst du das nicht?«
»Du willst herrschen!«
»Ja, ich will unser altes Reich wieder errichten!«
»Weißt du, dass Hasan niemals im Besitz dieser Befähigung war?«
»Du lügst!«
»Die Weisen von Damcar, die Maria und Christian Rosenkreuz darin unterwiesen hatten, wollten, dass die se Fähigkeit den Menschen nützen, nicht schaden sollte. Bei dem Versuch, dieses Wissen an sich zu reißen, starb Hasan.«
Er durchbohrte sie für einen Moment mit seinen Blicken, bevor er in ein lautes Gelächter ausbrach. Als er sich wieder beruhigt hatte, fragte er sie belustigt, ob das eine Drohung sein solle. Marta antwortete nicht. Er musterte sie, dann befahl er, dass man sie zu ihren Kindern bringen solle.
»Nach dem Mittagessen wirst du mich in der Kunst unterweisen.«
»Und meine Kinder?«
»Gehen mit dir, wenn ich die isra’ erlernt habe!« Er stand auf und verließ den Raum.
Sie erhob sich und schaute zu Achmed. Der nickte und ging voran.
Als sie die Zelle, die sie in der Meditation gesehen hatte, betrat, sahen ihre Kinder sie mit großen Augen an, als trauten sie ihnen nicht, doch dann sprangen sie jubelnd auf und umarmten ihre Mutter. Marta vergoss Freudentränen, und Benjamin küsste und umarmte seine Mutter und rief dabei ständig: »Mama hat uns gefunden. Mama hat uns gefunden!«
»Ich hab es doch gesagt, Benni, hab ich es nicht gesagt, dass Mama uns finden wird?«, jubelte Katharina.
»Können wir jetzt endlich nach Hause fahren? Hier gefällt es mir nicht!«, bettelte Benjamin.
Marta strich ihrem Sohn liebevoll übers Haar und überlegte einen Moment. Sie spürte die Blicke ihrer Kinder auf sich gerichtet. Sie hatten so viel durchgemacht, sie durfte sie jetzt nicht enttäuschen. »Ein wenig müssen wir uns noch gedulden, aber dann geht es heim.«
»Versprochen?«, hakte Katharina, die die Unsicherheit ihrer Mutter spürte, misstrauisch nach.
»Versprochen!«, erwiderte Marta und war sich dabei nicht so sicher, ob sie dieses Versprechen auch wirklich würde halten können. Aber daran wollte sie im Moment nicht denken, sondern genießen, dass sie wieder mit ihren Kindern vereint war.
»Es tut mir leid, Mama«, begann Katharina – und plötzlich liefen dem sonst so beherrschten Mädchen Tränen aus den Augen. Marta schaute sie verdutzt an.
»Es ist alles nur meine Schuld«, brachte sie unter Schluchzen hervor.
»Du kannst doch am allerwenigsten dafür!«
»Ich hatte doch Benni aus dem Hort abgeholt. Als der Lieferwagen vor uns hielt, habe ich zu spät gecheckt, dass die uns entführen wollten.«
»Wie solltest du das auch ahnen!«
»Wir hatten doch diese Anrufe von diesem kranken Typen gehabt. Ich habe es zu spät mitgekriegt, weil ich unter den Kopfhörern gehangen und Musik gehört habe.«
»Und dann?«, fragte Marta.
»Haben die Typen gesagt, dass wir keine Dummheiten machen sollen. Wenn du ihre Forderungen erfüllst, wären wir bald wieder daheim.«
»Ich habe gewusst, dass du uns holen wirst«, meinte Benni, sich an seine Mutter kuschelnd, die ihm durchs struppige Haar fuhr.
»Stimmt, Benni war richtig tapfer«, stieß Katharina ihren kleinen Bruder an.
»Erzähl weiter«, bat Marta.
»Wir sind dann ziemlich lange gefahren.
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