Das Geheimnis der Schnallenschuhe
nur, weil Mr Chapman – ich meine…» Sie brach ab.
«Ich glaube», sagte Poirot, «Sie wissen ein bisschen mehr, als Sie uns erzählt haben, Madame.»
Mrs Merton erklärte zögernd: «Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll. Ich möchte keinen Vertrauensbruch begehen und habe natürlich niemandem verraten, was Sylvia mir erzählt hat – außer zwei Freundinnen, von denen ich bestimmt wusste, dass sie kein Wort weitersagen würden.»
Mrs Merton holte tief Atem.
«Was hat Ihnen Mrs Chapman erzählt?», fragte Japp.
Mrs Merton beugte sich vor und senkte die Stimme. «Es ist ihr eines Tages gewissermaßen zufällig entschlüpft. Wir sahen einen Film, der vom Geheimdienst handelte, und Mrs Chapman sagte, es sei deutlich zu merken, dass die Filmleute nicht viel von diesem Metier verstünden. Und dann ist es herausgekommen, nur hat sie mich beschworen, darüber zu schweigen. Mr Chapman ist nämlich beim Geheimdienst tätig. Das ist der wirkliche Grund, weshalb er dauernd ins Ausland fahren muss. Die Geschäftsreisen sind nur ein Vorwand.»
Als sie die Treppe hinunter zu Nummer 42 zurückgingen, war Japp sichtlich wütend.
Sergeant Beddas, der tüchtige junge Mann, erwartete die beiden und sagte respektvoll: «Aus dem Mädchen habe ich nichts Vernünftiges herausbringen können, Chefinspektor. Mrs Chapman hat ihre Bedienung anscheinend ziemlich häufig gewechselt. Diese Nelly hat die Stellung erst seit ein oder zwei Monaten gehabt. Sie sagt, Mrs Chapman sei eine nette Dame gewesen, habe gern Radio gehört und mit ihr nie unfreundlich gesprochen. Manchmal hat sie Briefe aus dem Ausland bekommen, ein paar aus Deutschland, zwei aus Amerika, einen aus Italien und einen aus Russland. Der Freund des Mädchens sammelt Marken, und Mrs Chapman gab ihr diese stets, wenn ein Brief gekommen war.»
«Unter Mrs Chapmans Papieren haben Sie nichts gefunden?»
«Nicht das Geringste, Chefinspektor. Es war auch nicht viel an Papieren da. Ein paar Rechnungen und Quittungen – alle von hiesigen Firmen. Einige alte Theaterprogramme, ein paar Kochrezepte, die sie aus der Zeitung ausgeschnitten hatte, und eine Broschüre über die Zenana-Mission.»
«Nun, und wer die ins Haus gebracht hat, ist leicht zu erraten. Das klingt kaum nach einer Mörderin, was? Und doch scheint sie das gewesen zu sein. Zumindest muss sie eine Komplizin sein. Und fremde Männer sind an dem Abend nicht im Haus gesehen worden?»
«Der Portier kann sich an keine erinnern, aber es ist ja auch schon ziemlich lange her, und überhaupt ist das Haus sehr groß – ein dauerndes Kommen und Gehen. An das Datum erinnert er sich nur deshalb, weil er am nächsten Tag ins Spital gebracht worden ist und sich an dem betreffenden Abend schon sehr schlecht gefühlt hat.»
Der Arzt kam aus dem Badezimmer, wo er sich die Hände gewaschen hatte.
«Eine höchst unappetitliche Leiche», sagte er heiter. «Schicken Sie sie mir rüber, sobald Sie soweit sind. Dann werde ich mich an die Arbeit machen.»
«Todesursache noch nicht festgestellt, Doktor?»
«Bevor ich die Autopsie gemacht habe, kann ich unmöglich etwas Genaues sagen. Die Verletzungen im Gesicht sind ihr bestimmt erst nach dem Tod beigebracht worden, möchte ich behaupten. Aber mit Sicherheit lässt es sich erst sagen, wenn ich sie auf dem Seziertisch habe. Frau in mittleren Jahren, anscheinend soweit gesund, Haare an der Wurzel grau, aber blond gefärbt. Vielleicht hat sie am Körper besondere Merkmale – wenn nicht, wird sie schwer zu identifizieren sein –, ach, Sie wissen, wer es ist? Das ist großartig. Was? Die vermisste Frau, über die soviel in der Zeitung stand? Ich lese die Zeitung immer nur flüchtig. Löse nur die Kreuzworträtsel.»
«Und das ist nun die öffentliche Meinung!», sagte Japp bitter, als der Arzt hinausging.
Poirot stand über den Schreibtisch gebeugt. Er nahm ein braunes Adressbüchlein zur Hand und schlug es beim Buchstaben Z auf. Da stand:
Dr. Zacharias, Prince Albert Road 17; Zaccoletti und Drake, Fischgeschäft.
Und darunter stand:
Zahnarzt, Mr Morley, Queen Charlotte Street 58.
In Poirots Augen leuchtete ein grünes Licht. «Es wird», sagte er, «nicht schwierig sein, die Leiche einwandfrei zu identifizieren.»
Japp sah ihn erstaunt sein.
«Sie glauben doch nicht etwa…»
«Ich will ganz sicher sein!», antwortete Poirot heftig.
Miss Morley war aufs Land gezogen. Sie wohnte jetzt in einem Bauernhäuschen in der Nähe von Hertford. Der Grenadier
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