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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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beherrschende Gestalt.
    »Dann werde ich mein Pferd satteln«, sagte Sulien fast so leichthin, als hätte er nichts anderes vor als einen kleinen Ausritt in die Wälder, um Luft zu schnappen. Er bückte sich, um seiner Mutter die eingefallene Wange zu küssen, und sie hob eine Hand, die sich wie das Flattern des filigranen Skeletts eines toten Blatts anfühlte, als sie sein Gesicht berührte. Er sprach kein Wort des Abschieds, weder zu ihr noch zu Pernel. Die Worte hätten ihm leicht entgleiten und eine böse Vorbedeutung erhalten können. Er ging mit raschen Schritten durch die Halle, und Cadfael verabschiedete sich so höflich und unverfänglich, wie es ihm unter den gegebenen Umständen möglich war, und eilte auf den Hof, um sich in den Stall zu Sulien zu begeben.
    Sie saßen auf dem Hof auf und ritten Seite an Seite los, ohne daß ein Wort gesprochen wurde, bis sie durch den Waldgürtel trabten.
    »Ihr werdet schon gehört haben«, sagte Cadfael dann, »daß Hugh Beringar und sein Aufgebot heute zurückgekommen sind? Ohne Verluste!«
    »Ja, das haben wir gehört. Ich habe schon begriffen«, sagte Sulien mit einem schiefen Lächeln, »wessen Stimme es war, die mich rief. Aber es war richtig, den Abt für ihn sprechen zu lassen. Wohin werden wir wirklich reiten? Zur Abtei oder zum Schloß?«
    »Zur Abtei. Das zumindest entsprach den Tatsachen.
    Sagt mir, wieviel weiß sie tatsächlich'?«
    »Meine Mutter? Nichts. Nichts von Mord, nichts von Gunnild, Britric oder Rualds Fegefeuer. Sie weiß nicht, daß euer Pflüger auf Land, das einst uns gehört hat, die Leiche einer Frau zutage gefördert hat. Eudo hat ihr mit keinem Wort davon erzählt, und andere auch nicht. Ihr habt sie ja gesehen«, sagte Sulien einfach. »In ihrer Nähe ist keine Menschenseele, die es zulassen würde, daß ihre Bürde auch nur durch einen einzigen Kummer, und sei er noch so klein, noch schwerer gemacht wird. Ich wollte Euch dafür danken, daß Ihr die gleiche Rücksicht gezeigt habt.«
    »Wenn sich das aufrechterhalten läßt«, bemerkte Cadfael, »wird es geschehen. Aber um die Wahrheit zu sagen, bin ich mir nicht sicher, daß Ihr ihr überhaupt einen Dienst erwiesen habt. Habt Ihr je daran gedacht, daß sie vielleicht stärker ist als jeder von euch? Und daß sie am Ende vielleicht doch alles erfahren muß, was ihren Kummer nur verschlimmern könnte?«
    Sulien ritt eine Zeitlang schweigend neben ihm her. Er reckte den Kopf in die Höhe, blickte starr geradeaus, und sein Profil, das sich deutlich vor dem offenen Himmel mit seinen schweren Wolken abzeichnete, wirkte blaß und hatte die Starrheit einer Maske. Noch ein Stoiker, der viel von seiner Mutter in sich hatte.
    »Was ich am meisten bereue«, sagte er schließlich mit Nachdruck, »ist, daß ich mich Pernel genähert habe. Ich hatte kein Recht dazu. Hugh Beringar hätte Gunnild irgendwann auch so gefunden, und sie hätte sich gemeldet, wenn sie erfahren hätte, wie wichtig es ist, auch ohne meine Einmischung. Und jetzt seht Euch an, was für ein Unheil ich angerichtet habe!«
    »Ich bin der Meinung«, sagte Cadfael mit achtungsvoller Behutsamkeit, »daß die junge Dame dabei eine genauso große Rolle gespielt hat wie Ihr. Und ich möchte bezweifeln, daß sie es bedauert.«
    Sulien ritt vor seinem Begleiter in die Furt hinein, so daß das Wasser um die Hufe seines Pferdes aufspritzte. Seine Stimme drang klar und entschlossen zu Cadfael. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit wiedergutzumachen, was wir getan haben. Und was meine Mutter betrifft, ja, da habe ich das Ende schon bedacht. Selbst dafür habe ich Vorsorge getroffen.«

12. Kapitel
    Nach dem Abendgebet hatten sich alle vier im Empfangzimmer des Abts versammelt. Die Fensterläden waren zugezogen, und die Tür war fest gegen die Außenwelt verschlossen. Sie mußten noch auf Hugh warten. Er mußte sich um seine Garnison kümmern, hatte ausgehobene Truppen, die soeben aus dem Lehnsdienst entlassen worden waren, zu bezahlen und zu ihren Familien nach Hause zu schicken, mußte darauf achten, daß ein paar Verwundete angemessen versorgt wurden, und erst da konnte er steifbeinig auf seinem eigenen Hof absitzen, Frau und Sohn umarmen, sich seiner schmutzigen Reisekleidung entledigen und an der eigenen Tafel wieder zu Atem kommen. Die weitere Befragung eines zweifelhaften Zeugen, dessen Glaubwürdigkeit inzwischen ohnehin nicht mehr sehr groß war, konnte jetzt getrost noch ein paar Stunden warten.
    Doch nach dem Abendgebet erschien er,

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