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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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im Gegensatz zu dem Hof draußen im Halbdunkel lag, das wegen des wolkenverhangenen Himmels noch düsterer wirkte, und hielt kurz inne, damit sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Um diese Stunde war das Kaminfeuer gut mit Brennholz bestückt und brannte schon längst, war aber abgedämpft, damit es langsam bis zum Abend weiterbrannte, wenn der gesamte Haushalt sich hier versammeln und sich sowohl an der Wärme wie am Licht erfreuen würde. Im Augenblick war jeder bei der Arbeit oder in Küche und Vorratsräumen beschäftigt, und die Halle war leer. In der fernen Ecke des Raums war der schwere Vorhang jedoch vor einer Tür zur Seite gezogen, und die Tür, die er verbarg, stand halb offen. Cadfael konnte aus dem angrenzenden Raum Stimmen hören, eine davon die eines Mannes, eine junge und angenehm leise Stimme. Eudo oder Sulien?
    Da war er nicht sicher. Und die der Frau. .. Nein, die der Frauen, denn es waren zwei, eine davon fest, tief, langsam und klar in ihren Äußerungen, als kostete es Anstrengung, die Worte zu bilden und sie über die Lippen zu bringen; die andere war jung, klar und lieblich und hörte sich erfrischend offen an. Diese Stimme erkannte Cadfael. So weit waren sie also schon gekommen, daß es entweder ihr selbst, den Umständen oder gar dem Schicksal gelungen war, Sulien zu veranlassen, sie in sein Heim zu bringen. Es mußte also Sulien sein, der mit ihr im Wintergarten saß.
    Cadfael zog den Vorhang ganz zur Seite und klopfte an die Tür, als er sie weit öffnete und auf der Schwelle innehielt. Die Stimmen waren abrupt verstummt, die von Sulien und Pernel, die ihn sofort erkannt hatten und sich ebenso augenblicklich reserviert verhielten, und die von Lady Donata mit der leicht erschreckten, aber anmutigen Toleranz einer Frau ihres Schlages. Eindringlinge waren hier selten, und wenn jemand kam, dann überraschend, aber ihre beständige, in vielen Stürmen erprobte Würde würde sich nie aus der Fassung bringen lassen.
    »Der Friede sei mit euch!« sagte Cadfael. Die Worte waren ihm wie von selbst entschlüpft, denn es war ein üblicher Segensspruch, aber er empfand sofort einen Stich von Schuldgefühl, sie verwendet zu haben, da ihm nur zu bewußt war, daß das, was er den Menschen hier auf Longner brachte, vielleicht alles andere als Frieden sein würde.
    »Ich bedaure sehr, Ihr habt mich nicht kommen hören.
    Man sagte mir, ich sollte zu Euch durchgehen. Darf ich eintreten?«
    »Tretet ein und seid herzlich willkommen, Bruder!« erwiderte Donata.
    Ihre Stimme hatte fast mehr Fülle als ihre körperliche Hülle, obwohl es sie Mühe und Vorsicht kostete, sie zu gebrauchen. Sie hatte sich auf der breiten Bank an der hinteren Wand unter einer einzigen Fackel niedergelassen, die in der Halterung über ihr einen flackernden Lichtschein verbreitete. Donata lehnte sich gegen Kissen, die behutsam übereinandergetürmt waren, um sie aufrecht zu halten, und ihre Füße ruhten auf einem gepolsterten Hocker. Das schmale Oval ihres Gesichts hatte die durchsichtige bläuliche Farbe von Schatten auf jungfräulichem Schnee und wurde erhellt durch riesige, tief in den Höhlen liegende Augen von dem tiefen, leuchtenden, ins Violette changierenden Blau von Ochsenzungenblüten. Die Hände, die auf den Kissen ruhten, waren so zart wie Spinnweben, und der Leib in ihrem dunklen Gewand und dem brokatenen Bliaut war kaum mehr als Haut und Knochen. Doch sie war immer noch die Herrin hier und wurde dieser Rolle auch gerecht.
    »Ihr seid von Shrewsbury hergeritten? Eudo und Jehane wird es leid tun, Euch verpaßt zu haben. Sie sind zu Vater Eadmer nach Atcham geritten. Setzt Euch, Bruder, hier bei mir. Das Licht ist schwach. Ich sehe meinen Besuchern gern ins Gesicht, aber meine Augen sind nicht mehr so scharf wie früher. Sulien, bring unserem Gast einen Trunk Bier. Ich bin überzeugt«, sagte sie und schenkte Cadfael ein dünnes, gefaßtes Lächeln, das den stoischen Ausdruck ihrer Lippen milderte, »daß Euer Besuch in Wahrheit meinem Sohn gilt. Seine Rückkehr hat mir eine weitere Freude gebracht.«
    Pernel sagte kein Wort. Sie saß sehr ruhig und still zur Rechten Donatas und sah Cadfael an. Diesem kam es vor, als hätte sie schneller als selbst Sulien gespürt, daß dieser unerwartete Besuch einen tieferen und dunkleren Zweck hatte. Wenn ja, unterdrückte sie, was sie wußte, verhielt sich weiter wie bisher und spielte das ausgeglichene junge Edelfräulein, das einem älteren Menschen gegenüber

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