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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Superlativ megistos (größter) den Bastardnamen »Almagest«, und unter dieser noch heute geltenden Bezeichnung ist das Werk eine Säule der Weltliteratur geworden.
    Da hätten wir also den überzeugenden Beweis für die Wandelbarkeit eines Titels, der seinen Ewigkeitsruhm erst in einer dem Urheber Ptolemäos völlig fremden Fassung erreichte.
    Und die Folge wäre, daß man sich durchaus nicht zu genieren brauchte, ein ähnliches Verfahren, sagen wir einmal auf Humboldt zu übertragen. Sein Werk, das er »Kosmos« nannte, braucht gar nicht so zu heißen, kann vielleicht – bei genügend übersetztem Text – unter anderem Namen noch weit berühmter werden.
    Das wäre indes ein Trugschluß, der nur dadurch zustande kommt, daß das Wesentlichste übersehen wird. Wenn der ursprüngliche Titel als Al-magest im neunten Jahrhundert arabisch-griechisch wurde, so gewann er dadurch eine erweiterte Weltgeltung; setzen wir aber für Kosmos irgendwelches Deutschwort, so bewirken wir in demselben Sinne eine Verengung .
    Ich behaupte sogar, daß ein Wort wie Kosmos vielen Deutschen – ich denke dabei an die Mittelschicht von bescheidenem Bildungsstand – ohne weiteres verständlicher klingt, als mancher Reindeutsch-Titel; verständlicher als »Götzendämmerung«, als die »Vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde«, als »Trutz-Nachtigall«, sogar als des alten Fischart »Affentheuerlich-naupengeheuerliche Geschichtklitterung«.
    Indes, wir brauchen uns gar nicht auf den weiteren Verfolg dieser Betrachtung einzulassen. Jeder Versuch, die Namen oder gar die vorhandenen Texte einem Großreinemachen zu unterziehen, würde schon am Umfang des Unternehmens scheitern. Denn das vorhandene, so mangelhaft deutsche Schrifttum ist eben auch ein Kosmos, ein Makrokosmos, ein Almagest, und wenn es der neuzeitlichen Forderung nicht genügt, so bleibt eben nichts anderes übrig, als – eine neue Literatur zu schaffen.
    Allen Ernstes wird in den Schriften der Forderer darauf hingewiesen, daß eine solche bereits im Entstehen sei. Man bekommt die Aufzählung einer Reihe neuer Deutschbücher aus verschiedenen Fächern, die sich bei vortrefflichem Inhalt durch vollkommene oder annähernde Sprachreinheit empfehlen. Gewiß ein höchst schätzbarer Zuwachs zum Vorhandenen. So wie das Gewicht der Erde durch den Anfall von Meteorsteinen zunimmt oder das Vermögen eines Milliardärs durch einen Treffer in der Lotterie. Der Treffer verschwindet selbst im besten Fall gegen seine Jahreszinsen.
    Unser Schriftschatz, der Kosmos der deutschen und in Deutschland heimischen Bücher, ist der Milliardär, und sein natürlicher Zinszuwachs setzt sich zusammen aus seiner fortzeugenden Wirkung in den Gehirnen und aus den neuen Werken, die in seinem Geiste und in seiner Sprache geschrieben werden. Wer das leugnet, der faßt den Begriff der Geistigkeit anders als ich, und wir werden uns nicht verständigen können, weil wir über verschiedene Dinge reden.

Arten und Unarten
    Es liegt nicht im Plan dieses Buches, die Eigentümlichkeiten des Stils wie die Gegenstände eines Museums in irgendwelcher Vollständigkeit auszulegen und sie mit Lob, Zurechtweisung, Analyse und Satire zu bedenken. Ich widerstehe dieser Versuchung schon deshalb, weil man sich mit solcher Behandlung leicht ins Schulmeisterliche verliert und in Gefahr gerät, Nebendinge für literarisch wichtig zu nehmen. Unsere Betrachtungen galten und gelten den Fernblicken, wenigstens der Absicht nach. Aber auch der Wanderer, der den Aussichtspunkten zustrebt, wird hin und wieder einen Quarzsplitter vom Wege aufnehmen oder einen Halm abzupfen; so nur mag es verstanden werden, wenn wir hier einige Besonderheiten herausgreifen.
    Im großen und ganzen kann man sagen: Stilschönheiten fallen nicht auf. Wer sie zu bieten vermag, dem erfließen sie so selbstverständlich als Zeichen der Gedankengüte und Gedankenfülle, daß sie in der Regel als hervorstechende Einzelwesen gar nicht auftreten können. Sie stehen immer dicht bei einander; und wer sie in getrennter Schönheit auf sich wirken läßt, verfährt nicht wesentlich anders als ein Betrachter, der auf flutendem Meer eine einzelne Woge als besonders gelungen empfindet.
    Die Häßlichkeit im Stil, die Schrulle, das unbegründete Wagnis, die offenbare Entgleisung fallen auf, können Ärgernis erregen, beanspruchen aber doch noch Vorsicht in der Beurteilung. Ihr vereinzeltes Auftreten ist gleichgültig. Aber selbst dort, wo die Auffälligkeit in

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