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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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erzeugte, das versteht sich von selbst. Wie es sich von selbst versteht, daß sämtliche Werke jener Meister aus der Einbildungskraft erwuchsen. Nur daß ihre Fantasien noch etwas besonderes aufzeigen; eben jenes gesteigert Fantastische, das in der ganzen Welt Kurs hat, außer im Kreise der Beschränkten, denen alles Weltgültige zuwider ist. Wer dem mit erweitertem Bewußtsein Denkenden für Phantasie, allgemein genommen, »Einbildungskraft« aufzwingen will, rennt zudem gegen festgegründete Erinnerungen:
Alles wiederholt sich nur im Leben,
Ewig jung bleibt nur die – »Einbildungskraft«
(Was sich nie und nirgend hat begeben,
Das allein – ist ewig dauerhaft) ....
     
    steigt im Gedächtnis auf, als unmögliches Gebilde, wie eine dem Überbrettl entlaufene parodistische Verballhornung. Dieser zum Trotz lassen wir uns die »Phantasie« als ein unantastbares Heiligtum leuchten, als ein Vorzugswort der Klassiker von Weimar, die schon in ihren Xenien die anmutige Frage aufwarfen:
»Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern,
Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht!«
     

Kurzes und Längeres zur Sprachweisheit
    Jede Rechnung findet ihre Gegenrechnung. Man kann in reinen Deutschworten ein miserables Deutsch schreiben und mit einer Fülle von Fremdworten ein vorzügliches Deutsch.
    *
     
    Alle Philosophie ist nur Ausdruck und Umschreibung der uns fehlenden Worte. Besäßen wir die uns fehlende Million Worte, so brauchten wir keine Philosophie. Denn die Sprache selbst enthielte dann schon die Summe aller Denkweisheit.
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    Der Astronom betrachtet und erforscht die Sonnenflecken. Er bucht ihre Anzahl, verfolgt ihre Bewegungen und deutet ihre Herkunft. Aber er stellt nicht mit Bedauern fest, daß er auf der Glanzscheibe der Sonne dunkle Punkte gefunden habe. Und ganz gewiß ersinnt er kein Mittel, um die Sonnenflecken wegzuputzen. Unter den Sprachgelehrten gibt es Leute, die anders verfahren; schnurrige Käuze, die sich einreden, man könne und müsse der Sprachsonne mit Fleckwasser beikommen.
    *
     
    Sie wären auch mit gewissen Eiferern zu vergleichen, die von metallnen Kunstwerken den Edelrost abkratzen, in der Meinung, Kupferoxyd sei schädlich und müsse herunter. Oder mit Kollegen aus einer anderen Zunft, die alte Prachtgewänder mit Schwefelsäure und Ätzkalk behandeln. Sie entfernen Flecke und brennen Löcher hinein.
    *
     
    Wir freuen uns, wenn die deutsche Valuta steigt. Das ist ein auf internationalen Beziehungen beruhender Vorgang. Gäbe es Sprachbörsen in der Welt, so hätten wir zu solcher Freude wenig Veranlassung. Denn je mehr der Purismus durchdringt, desto ungeeigneter wird die deutsche Sprache für den internationalen Verkehr. Sie stellt sich auf Innenverständnis und Binnengebrauch ein und verliert den Kurswert draußen. Sorgen wir dafür, daß die deutsche Sprachvaluta wieder die steigende Richtung einschlägt.
    *
     
    Mit jedem gut brauchbaren, aber vertilgten Weltwort verliert die deutsche Sprache einen winzigen Bruchteil ihrer Weltverständlichkeit und damit ihrer Macht. Und diese Teilchen häufen sich zu ansehnlichen Größen. Wer sich zum Anwalt dieser Minderung macht, der verfährt so, als wäre sein vaterländisches Grundbekenntnis: »Mein Vaterland muß kleiner sein!« Wir wollen es größer haben, sprachlich erweitert, sprachlich machtvoller.
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    Sprachschäden können Sprachtugenden sein. Es kommt darauf an, wie man die Dinge ansieht. Einer stellt sich vor das Felsgewirre hin und bejammert die zerstörenden Gewalten der Verwitterung und Erosion. Was da alles zerspalten, abgeschrammt, zerhobelt, hinausgeschwemmt wird, dem ursprünglich so kompakten Felsen zum unheilbaren Schaden! Der andere aber sagt: es gibt auf der Welt keinen besseren Baumeister, als diese Verwitterung. Sie allein bewirkt alle Schönheit, alle Romantik, alles malerisch Eindrucksvolle in diesen Massen. Auch die Sprache leidet unter Erosion und Fortschwemmung, wenn man eben als Leiden bezeichnen will, daß vieles verloren geht, was ursprünglich fest dastand. Man muß es nur verstehen, die Reize wahrzunehmen, die ihr Dasein den Lücken verdanken. Das ganze gelehrte und dichterische Schrifttum vergangener Jahrhunderte ist von solchen Lücken durchsetzt. Aber was stehen blieb, wirkt eindringlicher als vordem. Und auch das Sprachganze zeigt Verwitterungsschönheiten.
    *
     
    Das Latein wird als eine tote Sprache bezeichnet. Wann starb das Latein? Diese oft aufgestellte Frage

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