Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Unentwegte wird mit irgendwelcher teutschklingenden Neubildung Rat schaffen; er wird aus dem reichen Bezug des längst heimischen Fremdwortes eine einzelne Saite herauszupfen und auf ihr seine eintönige Melodie spielen; wie ihm ja auch im »Drama«, im »Dramatischen« nur das Handlungsreiche, das lebhaft Bewegte zum Bewußtsein kommt, nicht aber das innerlich künstlerische, das dem dramatischen eine ganz andere Stellung zuweist, als der lebhaftesten Bewegung der unkünstlerischen Wirklichkeit. Da sich aber diese Unentwegten so gern auf Lessing berufen, darf man neugierig sein, wie sie dessen Hamburgische »Dramaturgie« in Zukunft zitieren und benamsen werden.
Politik . »Staatskunst, Regierungskunst, Staatswissenschaft, Steuerkunst, öffentliche Angelegenheiten, Staatsfragen, Staats- oder Welthandel; die Zeitforderungen; Weltklugheit, Schlauheit, feine Berechnung, Absicht, Ziel; Arbeit, Wirtschaft«, – so liest man's und mag zugeben: jedes einzelne ist richtig, gehört zur Politik, und alle zusammen werden ja wohl ungefähr dem Begriff gerecht werden. Wozu aber dann die Zerfaserung, die Aufdröselung? Nehmen wir ein Vergleichsbeispiel. Aus dem Wort » Spektralanalyse « kann ich herausziehen, begrifflich auslaugen: Lichtbetrachtung, Lichtbandforschung, Lichtlinienvergleichung, chemisches-physikalisches Verfahren, Methode nach Kirchhoff und Bunsen, und noch viele andere Einzelheiten, die in sich nicht falsche Teilumschreibungen ergeben, aber keine Übersetzung; weil eben erst die Gesamtsumme den vollen Begriff ergibt, der eindeutig und unübertragbar uns als »Spektralanalyse« bekannt ist. Bei der » Politik « liegt die Sache noch viel einfacher, weil sie nicht nur gelegentlich, sondern ohne Unterlaß in unser Denken und Leben eingreift. Wer ließe sich da, bei der unendlichen Vielfältigkeit der »politischen« Beziehungen, eine Umschreibung, Zerteilung, Auflockerung gefallen? Ob einer Freude daran erlebt oder Weh, – auch das »garstig Lied« soll ein »politisch Lied« bleiben und nicht ein staatswissenschaftlich oder steuerkünstlich oder weltklug Lied werden.
Experiment : Der »Versuch«. Ein Forscher stellt einen »Versuch« an, er betätigt sich damit auf dem Gebiet der Experimental-Physik, der Versuchs-Physik oder richtiger, der Versuchs-Naturkunde, und zwar als Experimentator, als »Versucher«. Man merkt schon, wie die Sache, die richtig auf den Beinen stand, anfängt zu humpeln. Über die Kunst des Versuchens schreibt der nämliche Forscher alsdann für eine Monatsschrift einen »Essay«; das darf er nicht, denn der Schulmeister kommt ihm dazwischen und belehrt ihn darüber, daß Essay auf gut deutsch »der Versuch« heiße. Er soll also in der Monatsschrift nicht als Essayist auftreten, sondern wiederum als Versucher. Der Forscher wendet ein, daß er weder als Experimentator noch als Schriftsteller irgend etwas »versucht«, sondern Dinge mit ganz festem, vorher bestimmbarem Ausgang aufgestellt habe. Was einstmals, vielleicht bei Torricelli oder Arago, ein Versuch, eine Probe gewesen sei, wäre bei ihm eine vollkommen sichere, durchaus nicht mehr zweifelhafte Wiederholung gewesen; nur eine Erfahrungstatsache habe er hinstellen wollen, mit Mitteln, die der Franzose zweckentsprechend und zusammenfassend als » expérience « bezeichnet. Und in seiner Abhandlung habe er dies dargestellt, ebenfalls nicht versuchsweise, nicht tastend, sondern zielsicher. Nutzt ihm nichts; gegen Herrn Fex zieht er den Kürzeren, und um des lieben Friedens willen fügt er sich in die Rolle des »Versuchers«, mag ihm auch sein besseres Sprachgewissen zurufen: Der »Versuch ist strafbar«!
Parlament : »Landtag, Reichstag, Volksvertretung, Kammer, die Abgeordneten« usw. Sehr schön und brauchbar, wo es sich um einen einfachen Bericht aus den Volkshäusern handelt und wo nichts anderes bezeichnet werden soll als die festumschriebene Sache. Nun hat aber »Parlament« – und kein anderer Ausdruck außer diesem – außerdem noch die verfassungsrechtliche Bedeutung der Einrichtung in sich aufgenommen, das innerlich wirkende nach politischer Kräfteverteilung, die Strebungen im Sinne der Macht, kurz die Entwicklung des »Parlamentarismus«, die man erklären, aber durch kein Kunstmittel ersetzen kann; weil jeder Ersatz auf einen Gleichlaut, auf eine Tautologie auslaufen müßte. Man nähme denn die Zuflucht zu sprachlichen Mammutgebilden: Volksvertretungsherrschaft, volkshäuslerische Übermächtigkeit; und selbst damit
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