Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
wegschrubbert. – Ein » Planet « ist ursprünglich zweifellos ein »Wandelstern«, und das Deutschwort mag heute noch statthaft erscheinen, wo der Zusammenhang irgendwelchen Hinweis auf das Wandeln darbietet. Kriegt es einer sonst fertig – (es ist und bleibt natürlich eine sprachliche Unmöglichkeit) –, so mag er sogar die Keplerschen Gesetze mit Wandelsternen vortragen. Wenn aber z. B. von der »Seeherrschaft auf dem Erdplaneten« gesprochen wird, so bedeutet der Planet unsere Welt, den Schauplatz unseres Wirkens, aber durchaus nicht ein Gestirn, welches wandelt. Es wäre mithin abgeschmackt, von der »Seeherrschaft auf dem irdischen Wandelstern« zu reden, wie es anderseits vollkommen richtig wäre, im Gegensatz zu vielen Vergänglichkeiten von der » Unwandelbarkeit « unseres »Planeten« zu sprechen. – Für » Komet « ist »Schweifstern« unbedingt abzulehnen, da ja auch andere Himmelskörper wegen ihres Schweifens im Raume als Schweifsterne angesprochen werden können. Bleibt also »Irrstern« oder »Haarstern«. Mit diesen zwei Übersetzungen bewehrt mag sich der Reinmachemann über Goethes Epilog zu Schillers Glocke hermachen, um ihm den alten Sprachflecken abzuscheuern. Denn da heißt es:
»Er glänzt uns vor, wie ein » Komet « entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend«,
womit ganz bestimmt weder die Eigenschaft des Irrwandelns noch das Auffallende eines Haarbusches gemeint ist, sondern ganz ausschließlich das Glänzende, Übersinnliche, das sich nach kurzem Leuchten in dem Dunkel des Weltalls verliert. Nun wird es aber Zeit, dem ewig fremdwörtelnden Goethe den Text zu verbessern:
»Er glänzt uns vor, wie ein Haarstern entschwindend..«
was ja auch im Munde eines Vortragenden, rein dichterisch genommen, viel besser klingt !
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Wenn man statt Säson , Saison ( season ) »Spielzeit« sagen will, so wäre wenig dagegen einzuwenden, obwohl »Spielzeit« mit einem leisen Doppelsinn behaftet ist und sich z. B. von der Spieldauer des einzelnen Stückes nicht genügend unterscheidet. Aber der Begriff der Saison, wie die Welt ihn versteht, ragt über den Theaterbetrieb weit hinaus und umfaßt auch den Wechsel der Jahreszeit mit ihren vielfachen Hinweisen auf Sonnenstand, Klima, Mode, Sport, gesellschaftliche Veranstaltung. Da versagt also die »Spielzeit«, und der Ruf nach Ersatz hat bereits zu Preisausschreibungen geführt, die zwar bis heute ergebnislos blieben, indes doch den Ausdruck »Gezeiten« als den begünstigten erscheinen lassen. Ein anerkanntes Pluralwort, das sich nunmehr auch die Einzahl, die »Gezeit« wird angewöhnen müssen. Wiederum liegt ein unangenehmer Doppelsinn vor, da die Gezeiten, um den neuen Bedürfnissen gerecht zu werden, sich von ihrer Grundbedeutung als dem Spiel von Ebbe und Flut abdrängen lassen sollen. Aber derartige zarte Erwägungen pflegen ja die Reformer nicht zu beunruhigen. Sie werden für Sportsaison wohlgemut Sportgezeit sagen, auf die Gefahr hin, ein Wort mit dem früheren Geltungsbereich vom Nord- bis zum Südpol auf den Engbereich ihrer Versteher einzuschränken, vorausgesetzt, daß sie nicht auch den »Sport« als lästigen Ausländer hinauswerfen und sich zu »Leibesübungsgezeit« oder »Wettrenngezeit« entschließen. Sie werden aber an noch stärkere Peinlichkeiten geraten, z. B. in der »Badezeit«, wenn sich da etwa ein junges Paar während der »Hochsaison« vermählt, wo dann die »Hochzeit« in der »Hochgezeit« stattfindet.
Aber auf den Klang kommt es ja nicht mehr an. Hat sich doch statt des kurzen, von zwei Vokalen getragenen, so leicht wie eine Stimmgabel ansprechenden »Büro« die mindestens doppelt so lange, von Konsonanten erdrückte »Geschäftsstelle« durchgesetzt. Und wieviele der neuzeitlichen Übersetzungskünste laufen im Nebenberuf darauf hinaus, die musikalischen Ansprüche des Ohres auf Null und unter Null hinabzudrücken! Das abgestumpfte Gehör, die stolpernde Zunge sind ja vergleichsweise noch die geringeren Übel. Der Mann aus Verdeutschland bemerkt sie überhaupt nicht, er kennt nur ein Ziel und blendet sich mit Scheuklappen gegen alles ab, was rechts und links auf dem Wege liegt, mag sich da auch das Wichtigste und Wesentlichste befinden: die Bestimmtheit des Ausdruckes, seine Unterscheidbarkeit, seine Übereinstimmung mit dem Vorgestellten. Die »Alliierten« sind selbstverständlich die »Verbündeten«. Daß es aber im großen Kriege zwei Sorten von Verbündeten gab, darauf kam es
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