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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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»Kleedage«, und er würde ihr sogar eine »Eklepage« gönnen. Reicht es dazu nicht, so poniert er ihr schräg-à-vis beim Kondex ein »Baiser«, einen »Bobóng«, im Restaurant ein »Omelett kommvorditür« ( aux confitures ), während er, wenn er solo ausbummelt, sich mit einem »Maison du Nord« (Nordhäuser) begnügt. Hat er Eile, so stürmt er »plängschass« (aus pleine chasse ) dahin, um nicht etwa durch Verspätung in die »Brodullje« ( bredouille ) zu geraten. Flüchtige Begrüßung erledigt er durch »Comment vous Portugal?« ( portez-vous ), oder auch durch »Comment vous Portemonnaie-vous?« mit nachfolgendem »Au réservoir« ( à revoir ). Zur Betonung seiner Eigenperson ist ihm »Je!« und »Moi-je!« geläufig. Eine Wette bietet er mit »Paree?«, als Tanzkommando behagt ihm das »Schassee an de Wand« ( chassez en avant ). Sein durchdringendes Auge kennt den feinen Unterschied: »Dieselbe Farbe in anderer Kulör«; dem Jarssong oder Pikkolo befiehlt er »Haare apart, Bouletten apart«, denn bei unappetitlichen Gerichten wird ihm ganz »blümerant« (rätselhaft aus bleu mourant abgeleitet). Beim Geldwechseln läßt er sich »retour« geben, im Wortstreit spielt bei ihm die »Retourkutsche« eine große Rolle, im übrigen übt er gegen Anderssprechende die größte Toleranz, nach seinem Grundsatz chacun à son goût , was in seinem Munde die Form gewinnt: »Jeder nach seinem Chacun!«
    Kaum erscheint es nötig, auf die französischen Splitter hinzuweisen, die sich jenseits des Berliner Platt in der weiteren niederdeutschen Mundart vorfinden. Friederizianische Nachklänge, Einflüsse der Emigrantenfamilien, naive Aufnahme schönklingender Fremdbrocken wirken zusammen, um der an sich schon so reichen Färbung der Mundart noch eine besondere, gar nicht zu übersehende Farbe aufzutragen. Drollig klingt's ja manchmal, was dabei in gewollter und ungewollter Verstümmelung herauskommt, aber nur einem Griesgram kann solche Drolligkeit beleidigend auf die Nerven fallen. Bodenständig genug drücken sich Entspekter Bräsig und die Personen seiner Umgebung aus; lockert es ihre Wurzelfestigkeit, wenn ihre Mundart in den Jargon überschlägt? Hätte es überhaupt einen Sinn, sie auf irgendwelches »Welsch« sprachamtlich festzunageln? Wie nach Marc Aurel der König, so trägt auch der Dialekt in sich sein lebendiges Gesetz, seine eigne Rechtfertigung; ein Dialekt kann nicht Unrecht tun.
    Erinnern wir uns einiger Blüten aus Reuters Sprachgarten: wie prächtig hat sich dort, im Mecklenburgischen die »Schockelor«, die »Karnallje«, ja sogar die fremde Münze »Luggerdur« eingedeutscht! Die Berlin-französische Brodullje tritt lautähnlich genug als »Pardullje« auf, – das sausende »plängschaß« erscheint unverändert, das Wort »krepieren«, von crever, mildert sich rückbezüglich vom viehischsterben zum menschlich-sich-ärgern: »Darüber krepiere dich nicht, Lining!« Ein Malheur verwandelt sich in »Mallür«, was einen geniert, wird »schanierlich«, die höchste Wurstigkeit äußert sich in »ganz partie egal« (partout), und das gelegentlich anknüpfende à propos erklingt mundartlich derb, aber durchaus volksverständlich: »Apopoh!« Bis zu klassischer Höhe gedeiht diese Redeweise dort, wo Bräsig die große Menschheit »regardiert« und zu dem überwältigenden Schluß gelangt, daß die große Armut von der großen »Powerteh« herrührt. Der Spruch hat Rang und Würde erworben, wurde im Büchmann unter den Geflügelten bestätigt, und noch ist kein Nörgler aufgestanden, der ihm die Stellung zu bestreiten gewagt hätte. Dem Humor läßt sich eben schlecht Fehde ansagen, und man kann nicht gut Anti-Reuterianer sein.
    Wohl aber Anti-Berliner. Das geht, und diejenigen, die gegen das Berlin-Französisch losgehen, schielen wenigstens mit einem bösen Seiten blick nach dem Richtigen Berliner, als dem Vorläufer der Sünder von heute.
    Die sind nun zweifellos vorhanden, und manches, was ihnen in ihren Reden und Schriften unterläuft, soll auch hier als Getue und Geckerei preisgegeben werden. Ganze und halbe, richtige und verdächtige französische Sätze wimmeln mitten in deutscher Rede, ohne Bezug und Begründung, und man braucht nicht weit zu suchen, um solches Gesprenkel in den Romanen und halbwissenschaftlichen Schöngeistereien des vorigen Jahrhunderts reichlich zu finden. Manche erinnern an die französelnde Figur in der Holbergschen Komödie »Jean de France«, manche an Riccaut de la

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