Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
sich nicht umzutaufen, um uns lieb zu werden, der große Physiologe du Bois-Reymond brauchte sein keltisches Blut nicht zu verleugnen, um uns als eine Zierde unserer Lehrkanzel zu erscheinen. Der erste preußische General, der beim Sturm auf die Spicherer Höhen fiel, hieß von François, sein Sohn Kurt von François hat deutsche Kulturarbeit in Afrika geleistet. Lejeune-Dirichlet, in Deutschland geboren, in Frankreich gebildet, wurde Gauß' Nachfolger in Göttingen und wie dieser ein princeps mathematicorum zum Ruhme deutscher Wissenschaft. Die Namen der Savigny, de la Motte Fouqué, Roquette, Moritz Carrière, Thibaut, Hans v. Marées, Tuaillon, Douzette, Credé, R. H. Francé, Salingré, Fontane, Reuleaux, Eugen d'Albert, sind uns keine Fremdworte. Wohl aber müßten sie als welsch gewissen Völkischen auf die überempfindlichen Nerven fallen. Wie wäre es, wenn sie versuchten, einige dieser Namen auf dem Wege der Übersetzung einzudeutschen und auszufranzen? Als Musterbeispiel könnte man ihnen den berühmten preußischen Feldmarschall Guillaume René Baron de l'Homme de Courbière empfehlen. Dieser Heerführer ist fast durchweg gut verdeutschbar, und man muß sich eigentlich darüber wundern, daß die Cour bière-Straße im völkischen Wörterbuch nicht schon längst zu der heimatlichen »Hof-Bräu«-Straße geworden ist. Ganz ernstlich: man kann darin weit groteskere Dinge finden!

Der Vorkämpfer
    Ich entwerfe das Bild eines Mannes, der als wirkende Persönlichkeit den hervorragendsten Platz im Felde der neuen Sprachbewegung einnimmt. Er ist Vorkämpfer mit zahlreichem Gefolge und würde auch ohne Troß eine Armee für sich darstellen. Nimmt man die Bewegung als eine Reformation, so ist er ein Ulrich von Hutten, nach seinem Temperament und nach der Quersumme seines Wissens. Wäre er es auch nach der Weite der Anschauung, dann besäßen wir in ihm eine der bedeutendsten Figuren des Schrifttums überhaupt. Aber schon hier versagt die Parallele, und weiterhin ergibt sich sogar schroffe Gegensätzlichkeit. Suchen wir einen anderen Vergleich. Und da fügt es sich, daß der Name selbst uns auf eine gute Fährte leitet. Unser Vorkämpfer heißt Doktor Engel, was, in scholastisches Latein gebracht, Doktor Angelicus lauten würde. Mit diesem Titel wurde einst ein anderer Vielwissender geschmückt, auch ein Vorkämpfer, ein Streiter, ein Dogmenbekenner: Thomas von Aquino. Eine päpstliche Enzyklika aus unseren Zeiten hat diesen glaubensstarken Thomas zum Universalschulmeister, zum Patron und Schutzheiligen aller Lehranstalten erhoben. Und unser neuer Doktor Angelicus steht im Begriff, dieselbe Würde aus eigener Machtherrlichkeit zu gewinnen. Es ist der Geist des Doktor Engel, der das Kampfgelände der neuesten Zeit durchweht und durchbraust.
    Eine Analyse seiner geistigen Persönlichkeit führt zu unlösbaren Schwierigkeiten, und eben das macht ihn so interessant. Er ist eine komplexe Natur mit offen aufgezeigten Widersprüchen, das Musterbeispiel einer Rechnung, die niemals aufgeht und bei jeder Behandlung andere unlösbare Reste ergibt. Und es kommt ihm nicht darauf an, sich selbst zu verleugnen. Denn er fühlt sich als Reformer, ein Reformator muß einseitig sein, und in dieser Einseitigkeit fegt er durch seine eigenen Werke, die ehedem den Glanz der Vielseitigkeit hatten. Um nur ein Beispiel vorweg zu nehmen: er verkündet heute:
Kein fremdwörtelndes Buch überlebt seinen Verfasser nur um ein Menschengeschlecht, nicht das wissenschaftlich wertvollste, nicht das geistreichste, nicht das sittlich schönste. Nennet mir eine einzige Ausnahme, und ich bekenne mich für besiegt;
    eine einzige? Nun es wäre nicht schwer, sie zu Hunderten zu nennen, und wenn man sie nicht wüßte, so brauchte man bloß Engels große Deutsche Literaturgeschichte aufzuschlagen, um sie dort zu finden, zum Teil trefflich erörtert und geschichtlich so behandelt, wie es Unsterblichkeiten zukommt. Wäre seine heutige Meinung rechtskräftig, so bestände der Weltbau der deutschen Literatur aus Stümpfen und verwesten Resten, und Engels vormaliges Werk wäre die Beschreibung einer ungeheuren Leichenkammer.
    Das ist es aber keineswegs; und wie es Lebendiges behandelte, so zeugte es auch von dem lebendigen Geist seines Verfassers, dessen Temperament sich noch zu zügeln wußte und nicht in den Sturmeifer eines Savonarola überschlug. Engels literarisches Gepäck ist außerordentlich umfangreich, inhaltsschwer und um das Ding mit richtigem Namen

Weitere Kostenlose Bücher