Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
Kerzenkisten und Kohlesäcken.
    Der kunstvoll gefederte Wagen des Gewandmeisters war für Heinrichs Garderobe reserviert. Staatsroben waren sorgfältig in Leinenbeutel eingenäht und auf Stangen gehängt. Die beachtliche und regenbogenbunte Sammlung königlicher Hutfedern ruhte in seidengefütterten Kisten.
    In bequemen Samtschatullen reisten seine »Babys« mit – kleine Wachspüppchen, denen winzige Kopien der Staatsroben auf den Leib geschneidert waren, sodass der König abends leichter entscheiden konnte, wie er sich am nächsten Tag präsentieren wollte: in strahlendem Goldbrokat, Hermelin und Juwelen, um ausländische Diplomaten und Kreditgeber von seinem Reichtum zu überzeugen, oder in Purpurtaft, um Bischöfen seine unmittelbare Nähe zu Gott zu demonstrieren.
    Schwarz verhängt reiste auch sein heimlicher Thron mit, den er selbst entworfen hatte: ein Lehnstuhl, dessen Sitzring über dem Kammertopf mit Daunenfedern gepolstert und mit goldenen Troddeln behangen war.
    Der Edelmann Henry Norris ritt mit gezücktem Paradedegen neben dem Transportwagen her. Als groom of the stool war er der am meisten beneidete Kammerdiener Seiner Majestät. Norris hatte das einzigartige Privileg, Heinrich morgens als Erster und allein bei den Geschäften beizustehen, zu der die Natur den Menschen zwingt. Mit Wasserschüssel und Monogrammtüchern hatte er bereitzustehen, um das »niedere Ende« des Monarchen abzuwaschen.
    Norris war somit Zeuge möglicher Leibesschwächen und in der Lage, die Wünsche und Schmeicheleien gewisser Höflinge eindringlich vorzutragen, ohne dass diese sich im Audienzsaal gegen den Schwarm der Bittsteller durchsetzen mussten.
    Auf der Höhe der London Bridge schlossen sich dem Tross Lieferanten an, die teure Nordseekohle aus Schottland, Tonnen erlesener Fische und orientalische Spezereien aus Londons Häfen mitführten. Auch die Dienerschaft geladener Gäste fädelte sich hier in den Zug ein. Unter ihnen waren in den schwarzgelben Livreen des Kaisers auch Chapuys’ Barbier, seine Pagen und sein Hofnarr, ein Zwerg und Spaßvogel, der sich mit Eifer an die niedrigsten Dienstboten des Königs hielt, die ein dankbares Publikum waren. Auf seinem Buckel turnte ein vorwitziges Äffchen in pinkfarbenem Seidenjäckchen.
    Besonders schien es dem Zwerg die rosige Puddingköchin angetan zu haben, die auf einem Esel den Schluss des Küchenkonvois bildete. Kein Wunder, dachten die Mitreisenden, Nell Twinkerton war eine der wenigen Frauen, die im Dienst des Königs standen. Weibliche Arbeitskraft war zu billig, um den Reichtum eines Königs zu demonstrieren. Heinrich konnte sich die fünfmal so teure Männerarbeit leisten und tat es auch.
    »Ah, wie fröhlich deine Puddingformen klimpern«, krähte der Zwerg, lupfte seine dreifarbige Kappe und lenkte seinen Maulesel an Nells Seite. »Das sind die Melodien, die dem wahren Mann zu Herzen gehen.«
    Die dralle Köchin kicherte. Der Zwerg begann zu deklamieren.
    »Verführ den guten Henry nicht
    Mit süßen Treueschwüren.
    Annes Minne hat er längst schon satt,
    Doch du kannst ihn verführen.
    Setz Milch auf und beginn zu rühren.
    Füg Mehl, Rosinen, Eier bei,
    Nimm Rindertalg
    Oder die Nieren vom Kalb,
    Würz ab mit Pfefferkörnern oder Zimt,
    Hauptsache, die Mischung stimmt.
    Dein Pudding ist das Allerbeste,
    Ist Heinrichs Krönung aller Feste.
    Salzig oder süß, doch nimmer angebrannt.
    Nell Twinkerton wird nicht vom Hof verbannt,
    Denn sie ist Henrys Königin im Puddingland.«
    Er verneigte sich im Sattel. Die Köchin schlug spielerisch nach ihm aus. »Hast du das eben gedichtet?«
    »Aus dem Stegreif und nur für dich«, sagte der Zwerg galant. Er beugte sich vertraulich zu ihr hinüber. »Mein Herr weiß deine Künste sehr zu schätzen und bat mich, dir das hier zu geben.«
    Er reichte Nell Twinkerton verstohlen einen kleinen Beutel. Die Köchin befühlte ihn ebenso verstohlen. »Das ist viel mehr als sonst«, wisperte sie erstaunt.
    »Nun, diesmal möchte er einen ganz besonderen Gefallen, der mit deiner Kochkunst zu tun hat.«
    Nell Twinkerton erbleichte. Sie senkte die Stimme zu einem scharfen Wispern. »In meine Puddings kommen nur die üblichen Zutaten und Gewürze. Sag ihm das. Ich bin keine Närrin!«
    Sie hieb ihrem Esel energisch die Fersen in die Flanken.
    Der Zwerg schloss rasch wieder zu ihr auf. »Verehrte Nell, du hast mich gründlich missverstanden! Glaubst du, wir wollen dich wie einen deiner köstlichen Puddings kochen sehen?«
    Nell

Weitere Kostenlose Bücher