Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
dein Herz gehängt hast. Du musst rein wie eine Jungfrau bleiben und darfst dich nicht in die bedauerlichen Laster dieser Welt verstricken. Sie beeinträchtigen deine Gabe. Spürst du es nicht selbst?«
Lunetta wich vor ihm zurück. Das Katz- und Mausspiel, das Aleander seit Tagen mit ihr trieb, war so widerwärtig wie erschöpfend. Es entzog ihr alle Kraft, mit diesem Teufel zu streiten, der sich selbst für Gott nahm. »Ich bin dir gefolgt, wie du verlangt hast«, fauchte sie. »Sage mir endlich, was ich tun muss, um meine Freiheit wiederzuerlangen.«
Aleander setzte die Miene eines zu Unrecht Gekränkten auf. »So rasch möchtest du von mir scheiden? Nachdem ich dafür gesorgt habe, dass die sterbende Hure beim Scharfrichter die Unschuld von Zimenes beschwor und ich ihm ein Vermögen zahlte, damit er die sezierten Weiber vergisst?« Er griff nach Lunettas Arm. »Du bist undankbar.«
»Und du bist Catlyns Mörder«, zischte Lunetta.
»Glaubst du das wirklich?«
Aleander richtete sich gelassen auf und sah ihr gerade ins Gesicht. Lunetta schrak nicht vor dem Grau seiner Augen zurück, sondern vor dem Grau ihrer Zweifel.
»Lamberts feige Flucht ist doch ein deutliches Geständnis, oder nicht? Begreife es endlich, jeder Mensch hat wie der Mond eine dunkle Seite, die er zu verbergen sucht. Satan existiert nicht an einem Ort namens Hölle, sondern in unseren Seelen. Willst du dich mit ihm verbrüdern? Oder mit dem Licht Gottes?«
»Du musst Lambert verleitet haben«, begehrte Lunetta auf.
»War es nicht vielmehr dein ungestümer Kuss?«
»Woher weißt du davon?«, stammelte Lunetta entsetzt.
Aleanders Mund verzog sich zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Ganz Köln weiß es. Aber beruhige dich, du hast keine Schuld an Lamberts Verbrechen. Er wurde das Opfer seiner eigenen, verfehlten Leidenschaft. Die bedauernswerte Catlyn liebte mich und nicht Lambert, der sie unbedingt vor mir und dem Galgen retten wollte. Leider war sie als Eheweib dann unzugänglich und spröde. Eine heilige Agnes, die auf ihrer Jungfräulichkeit bestand. Und doch wurde sie schwanger.«
»Von dir?«, fragte Lunetta schwach. Seine Worte schmerzten wie Messerstiche, seine Erklärungen waren widerwärtig, und doch wollte sie alles hören.
»Ich habe der Fleischeslust lange entsagt, um mit dir die spirituelle Hochzeit unserer Seelen zu feiern.« Aleander nickte mit der stillen Würde eines Priesters. »Und – falls du es wissen willst – auch Lambert war nicht der Vater ihres Kindes. Catlyn war und blieb eine Hure. An so etwas kann ein liebender Mann irre gehen … sich in einen Hass hineinsteigern, der vor Mord nicht zurückschreckt.«
Der schrille Ton einer Schiffspfeife unterbrach ihn. Die Laufplanke wurde vom Kai auf die Galeone gezogen. Leichtfüßig erklomm der Schiffspatron das Vorderkastell mit seiner reich geschnitzten Balustrade, setzte einen Schalltrichter an den Mund und brüllte Kommandos.
Aleander umfasste Lunettas Handgelenk und zog sie hinter sich her zu einem Niedergang. Das Mädchen warf einen letzten verzweifelten Blick an Land.
Die Männer in den Schleppbooten legten sich zum monotonen Schlag von Trommeln in die Riemen. Träge löste sich die Galeone vom Kai, die Segel wurden herabgelassen, mit einem Knallen fuhr der Wind hinein und blähte sie wie weiße Jungfernhemden.
Lunetta wand sich unter Aleanders Griff, ein Schluchzen stieg in ihre Kehle. Sie fühlte, was Lambert gefühlt haben musste, als er erkannte, dass Catlyn ihn nicht liebte und nie lieben würde, gleichgültig, welche Opfer er ihr gebracht hatte. Daher sein Zorn, sein gekränktes Herz … Aber hatte es ihn wirklich zum Mörder gemacht? In ihren Gedanken blitzte ein Messer auf. Deutlich sah sie noch einmal den juwelenbesetzten Griff mit seinem Wappen und gab ihren Widerstand auf.
Aleander zog sie ohne Mühe die Stufen zum Unterdeck herab. Der scharfe Geruch von Teer und gesalzenem Fisch schlug ihnen entgegen. Dunkel glommen Schiffslaternen und sorgten für unsicheres Zwielicht. Das Schiff nahm die rollenden Bewegungen des Wassers auf, begann mit knirschendem Rumpf seinen wiegenden Tanz. Der Schmied erwartete sie in einem schmalen Gang und stieß eine Brettertür auf. Aleander betrachtete angewidert die schmale, schmutzige Kabuse mit den Schlafnetzen.
»Bei Gott, ich habe Besseres verdient«, rief er auf Spanisch und nestelte nach seinem Bisamapfel. Dann eilte er mit raschen Schritten zu einer Luke und riss den Klappladen auf.
Lunetta
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