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Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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der dunklen Kabine und Aleanders selbstherrlichen Predigten und verwirrenden Lügen entkommen zu sein. Die Bewegungen ihres Maultiers, die lebendige Wärme seines Rückens und seine in gleichmäßigem Rhythmus schwellenden Muskeln spendeten ihr Trost. Zudem spürte sie die wachsende Anspannung Aleanders. Jenseits der beklemmend engen Welt des Schiffes verlor er seine zwingende Macht.
    Vor den Reitern tauchten erste Katen, Flusshäuser und die trutzige Kathedrale von Southwark auf. Wie zum Gebet gefaltete Hände ragten ihre mit Maßwerk gefüllten Bogenfenster in die Höhe. Aleander verlangsamte das Tempo seines Maultiers und bekreuzigte sich demonstrativ. Sie fädelten sich in den wachsenden Strom der Krämerinnen, Händler, Priester und Bauersleute ein, die auf die London Bridge zustrebten.
    Der einzige Übergang in die City überspannte auf 300 Yards die Themse und war dicht an dicht mit Wohn- und Geschäftshäusern besetzt. Zwischen buntem Fachwerk und vorkragenden Giebeln und Häusern, die über schwebende Bogengänge verbunden waren, herrschte buntes, lärmendes Gewimmel.
    Lunetta sah es mit klopfendem Herzen. Eine unbestimmte Hoffnung erfasste sie. Sie wollte ihrem Maulesel aufmunternd die Fersen in die Flanken drücken, um den gepflasterten Brückenaufgang zu nehmen, als Aleander das Zeichen zum Anhalten gab. Widerwillig zügelte sie ihr Reittier.
    Aleander schob die Kapuze seines Reiseumhangs zurück. Seine grauen Augen waren hart wie polierte Steine. Er drehte sich im Sattel zu dem Mädchen um.
    »Zeit für den geziemenden Seitsitz, Lunetta«, befahl er im Ton einer schmeichelnden Bitte. »Nur Bauersfrauen reiten mit gespreizten Beinen.«
    Lunetta zog die Stirn in Falten. Wie töricht waren alle Gedanken an Freiheit. Ihr Blick glitt zu den steinernen Brückenbögen, durch die sich die Themse ihren Weg zur Meeresmündung erzwang. Zwischen den Pfeilern zerteilte sich der träge Fluss in reißende Sturzfluten, die pfeilschnell und verwirbelt von tödlichen Strudeln wieder hervorschossen, um dem Meer zuzufließen. Wenn sie nur selbst einen Weg fände, ihrem widerlichen Entführer zu entkommen!
    Der Schmied sprang von seinem Reittier und bot ihr mit lächerlicher Ehrfurcht die Hand, damit sie ihre Röcke schürzen und absteigen konnte. Lunetta verschmähte seine Hilfe, glitt geschmeidig vom Rücken ihres Maulesels herab, stieg sogleich wieder in den Steigbügel und setzte in höfischer Manier auf.
    »Besser so?«, fragte sie Aleander kalt. »Ich befürchte allerdings, dass ein Maultier den zierlichen Passschritt nicht beherrscht. Ein Bastard wird nie ein Rassepferd sein.«
    Ihr Peiniger lächelte wölfisch. »Und das sind wir beide, Lunetta, nicht wahr? Immerhin merkt man, dass in deinen Adern das Blut der Löwensteins fließt. Du wirst in London großen Eindruck machen, wenn ich dir erst deine Gauklermanieren abgewöhnt habe. Und das werde ich. Wir müssen uns in den höchsten Kreisen bewegen.«
    »Ich kenne sie weit besser als du«, parierte Lunetta zornig.
    »Nicht in London. Und als Tochter eines Towerhäftlings bist du nicht eben willkommen! Niemand gerät gern in den Dunstkreis eines möglichen Hochverräters. Also halte dich an meine Empfehlungen.«
    Mit einem Schnalzen trieb er seinen Maulesel an. Sie unterquerten das Fallgatter der Torburg. Menschen drängten sich zu beiden Seiten der Reiter durch das steinerne Nadelöhr auf die Brücke. Gänse schnatterten in Weidenkäfigen, silbern glänzten frische Flussfische in Kiepen und Körben. Der Werbegesang von Pastetenbäckern und Ale-Verkäufern scholl ihnen entgegen. Unter den Bogengängen, die einige Häuser im ersten Stockwerk verbanden, lauerten Taschendiebe auf Beute. Ein einträgliches Geschäft, denn das Gewimmel war dicht auf der nur zwei Dutzend Ellen breiten Brückengasse.
    Aleander ritt jetzt neben Lunetta, den Kopf arrogant erhoben, so wie es seinem schönen Gesicht und seiner hochgewachsenen Gestalt entsprach. Zu ihrem Ärger bemerkte das Mädchen, dass einige Passanten ihm ehrfürchtig auswichen.
    »Du siehst, was ein wenig Haltung zu bewirken vermag. Benimm dich wie ein Herrscher, und man hält dich dafür«, bemerkte Aleander und neigte das Haupt hoheitsvoll in Richtung eines Edelmannes mit goldenem Halskragen, der verwirrt zurückgrüßte.
    Lunetta verzog den Mund voll Abscheu. »Ich sehe nur, dass du ein vollendeter Betrüger bist. Du täuschst sogar dich selbst! Aber ein Zwerg wird nicht größer, selbst wenn er sich auf einen Berg

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