Das Geheimnis der toten Vögel
Gesundheitsminister heute die Welthilfsorganisationen um Beistand ersuchen wird. Die Lage ist ernst. Wie wir aus unbestätigten Quellen erfahren haben, weisen weitere elf der Kinder, die sich in dem Fußballcamp aufhalten, Grippesymptome auf und werden mit Hilfe einer Einsatzgruppe aus Linköping heute in das ehemalige Sanatorium in Follingbo verbracht werden. Wir haben die Seuchenschutzärztin Åsa Gahnström bei uns im Studio und bitten sie um einen Kommentar.«
»Es stimmt, dass die antiviralen Medikamente, die wir haben, nicht gegen den Stamm von Grippeviren wirksam sind, der die Insel heimgesucht hat. Wir können Komplikationen wie Lungenentzündung mit Antibiotika behandeln, aber Tamiflu und die anderen Medikamente, die eingekauft wurden, sind wirkungslos.«
Maria schaltete das Radio aus und schlug die Hände vors Gesicht. Emil! Ein heftiger Schwindelanfall ließ sie krampfhaft den Griff der Autotür packen, während sie sich mit der anderen Hand am Armaturenbrett abstützte. Sie sollte bei ihrem Kind sein und nicht bei der Arbeit! Eine harmlose Infektion hatte Jonatan Eriksson gesagt, aber er hatte ihr dabei nicht in die Augen geschaut.
»Wie geht es dir, Maria? Du denkst an Emil, nicht wahr?«, meinte Hartman. »Das verstehe ich sehr gut. Es ist nicht in Ordnung, dass du unter diesen Umständen arbeitest. Ich kann allein mit Lennie Hellström reden. Ich fahre dich nach Follingbo, damit du sehen kannst, wie es dem Jungen geht, und dann meldest du dich wieder, wenn du nach Visby zurück möchtest. Okay?«
»Ja, ich muss jetzt bei ihm sein. Ich kann an nichts anderes denken. Es ist wie ein Albtraum. Sie haben gesagt, noch weitere elf Kinder sind krank geworden, und es gibt keine Medizin für sie. Es gibt nicht genügend Beatmungsgeräte und nicht genug Pflegepersonal auf der Insel, wenn sie richtig krank werden, und der Infektionsarzt hat, als ich ihn richtig unter Druck gesetzt habe, zugegeben, dass sogar die Betten knapp werden könnten. Was geschieht denn jetzt? Wenn Emil jetzt noch im Fußballcamp in Klinte wäre, dann würde ich ihn sofort abholen, und wenn ich mit Gewalt an meinen Kollegen vorbeimüsste. Die Polizisten, die vor der Schule Wache schieben, tun mir leid – was könnten die schon machen, wenn die Eltern verlangen würden, ihre Kinder rausholen zu dürfen? Das gäbe das reinste Chaos. Was würde man denn mit Eltern machen, die versuchen, an ihnen vorbeizukommen? Sie mit Schlagstöcken zusammenschlagen? Festnehmen?«
Die Wohnsiedlung in der Rutegatan sah gepflegt aus, kein Geschmiere oder irgendwelche sichtbaren mutwilligen Zerstörungen. Abgesehen von einem rostigen Kinderfahrrad mit Stützrädern, das auf die Wiese geworfen war, standen die Fahrräder in Reih und Glied in ihren Ständern. Eine nette Umgebung, wenn auch nicht so exklusiv wie die Signalgatan.
Hartman stieg dann die zwei Treppen zu der Wohnung hoch, in der Lennie Hellström wohnte. Er musste fünfmal klingeln, ehe jemand die Tür öffnete. Ein Mann mit buschigen schwarzen Haaren und nur mit einer Unterhose bekleidet öffnete die Tür und starrte den Eindringling aus kleinen müden Augen abschätzig an.
»Tomas Hartman von der Polizei, darf ich reinkommen?«
»Worum geht es? Sie haben mich geweckt. Ist was passiert?«, fragte Lennie Hellström, als er das ernste Gesicht von Hartman sah. Er strich das Haar mit beiden Händen zurück und gähnte, sodass man die schwarzen Plomben hinten im Mund sehen konnte. »Ich habe erst …«, er blinzelte und sah auf seine Armbanduhr, »… knapp drei Stunden geschlafen. Ist es was Wichtiges?«
»Ja. Es ist vielleicht das Beste, wenn wir reingehen und uns hinsetzen.« Hartman zeigte seinen Dienstausweis, um seine Rolle deutlich zu machen, da er ja keine Uniform trug. Immer noch zögernd öffnete Lennie die Tür, sodass Hartman so gerade unter seiner haarigen Achselhöhle hindurchschlüpfen konnte. Der Geruch von altem Schweiß und Bier wurde stärker. Die ganze Wohnung roch nach ungewaschener Sportkleidung, schimmeligem Müll und sauer gewordener Milch. Hartman machte einen großen Schritt über eine riesige Sporttasche und einen Haufen Kleider im Flur und folgte in die Küche. Lennie ging zum Kühlschrank und machte sich ein Bier auf, das er direkt aus der Dose trank.
»Möchten Sie auch eins?« Er griff nach einem weiteren Bier. Als Hartman dankend ablehnte, trank er selbst schweigend und unterdrückte ein Rülpsen. »Okay, was wollen Sie?
Weitere Kostenlose Bücher