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Das Geheimnis der toten Vögel

Das Geheimnis der toten Vögel

Titel: Das Geheimnis der toten Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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durchzuhalten. Lennie Hellström setzte sich wieder an den Tisch und fing an, wie ein Kind zu weinen. Hartman legte seine große Hand auf seine Schulter und wartete, bis er fertig geweint hatte. Als er den Kopf hob, war Hartman der Arm steif geworden, und die Finger waren eingeschlafen. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
     
    »Ist es überhaupt möglich, Frauen zu verstehen?«, fragte Hellström, und Hartman merkte, dass seine Stimme merklich unartikuliert und schleppend geworden war.
     
    »Der Versuch, Frauen zu verstehen, ist eine Sache, der man durchaus sein ganzes Leben widmen kann«, erwiderte Hartman.
     
    Es wurde eine Zeitlang still, während sich das Einvernehmen über die Trauer breitete.
     
    »Eine andere Sache, die ich noch gern besprechen würde, ist, wie Ihre Nachtschicht gestern aussah«, fuhr Hartman fort. Er holte seinen Notizblock heraus und lieh sich einen zerkauten Bleistift vom Fensterbrett.
     
    »Was denn? Sie glauben doch wohl nicht, dass ich … dass ich Sandra umgebracht habe? Denken Sie das etwa? Dann sagen Sie es gleich!« Hellströms Stimme war voller Zorn, und der Ausbruch, den Hartman zuvor befürchtet hatte, schien jetzt nah.
     
    »Glauben Sie, dass ich allein hierhergekommen wäre, wenn ich glauben würde, dass Sie sie ermordet hätten, glauben Sie das?« Hartman schämte sich ein wenig über seine Notlüge, aber sie funktionierte. Hellström, der sich schon halb vom Stuhl erhoben hatte, setzte sich wieder, und sein Blick wurde sanfter.
     
    »Ich habe um neun Uhr angefangen und bin durchs Labor und die Abteilung gegangen, in der sie Computerelektronik herstellen, fragen Sie mich nicht, was die machen, so was kapiere ich nicht. Der Sicherheitsbeauftragte des Betriebs, Finn Olsson, hat sein Büro dort. Er sucht Fehler, als gäbe es Geld dafür, ein echter Wortklauber und Pedant. Niemand mag ihn. Eigentlich wollte er Polizist werden, aber sie haben ihn nicht gelassen. Das ist ein heikles Thema. Er ist so prestigesüchtig, dass keiner es mit ihm aushält. Wenn ich hätte entscheiden können, dann hätten wir niemals von dem die Wohnung gekauft. Als ich durchging, war Finn Olsson da, um sein Handy zu holen, das er vergessen hatte. Ich habe ihn ein wenig deshalb aufgezogen – er macht doch sonst nie Fehler, vergisst nie etwas, wissen Sie. Sie können mit ihm selbst reden, dann werden Sie hören, dass ich da war. Dann bin ich weiter in ein Lager, das auch dem Konzern gehört, und schließlich ins Vigoris Health Center. Dort bin ich durch die ganze Anlage gegangen, durch jeden Flur. Wir haben Passierausweise, man sieht also, wann einer rein-oder rausgegangen ist. Dann habe ich Sandra angerufen, denn ich hatte einfach Sehnsucht danach, mit ihr zu reden, aber sie ist nicht rangegangen. Dann habe ich eine letzte Runde durch das Büro am Broväg gemacht und habe der Tageswache die Schlüssel übergeben. Als ich nach Hause kam, war es fast halb sieben. Ich wusste nichts von Sandra. Das schwöre ich. Ich wusste nichts, bis Sie hierherkamen.«
     
     
    20
     
    Jonatan Eriksson schloss die Tür zu seinem Zimmer, nahm die feuchte Schutzmaske ab und ließ sich am Computer nieder, um die erforderlichen Notizen in den Bericht einzufügen. Das Hemd klebte von Schweiß, und die Hände zitterten, als er das Mikrofon nahm und die Maßnahmen beschrieb, die er in den letzten Stunden hatte durchführen müssen. Elf Kinder, alle mit Fieber, Halsschmerzen und Gliederschmerzen, waren im Laufe des Vormittags aus dem Fußballcamp ins Sanatorium gebracht worden. Es gab keine Einzelzimmer mehr für alle. Sie mussten sich Zimmer teilen, was das Risiko barg, dass eines der Kinder vielleicht keine Vogelgrippe hatte, sondern normale Grippesymptome und sich anstecken könnte. Die Eltern waren, gelinde gesagt, aufgebracht und brauchten Zeit für Gespräche. Die meisten von ihnen wollten bei ihren Kindern bleiben, aber man hatte die Grundsatzentscheidung treffen müssen, dies nicht zu genehmigen. Atemschutzmasken und Schutzkleidung reichten nicht aus. Eine neue Lieferung Atemschutzmasken würde es erst nächste Woche geben, denn sie waren beim Lieferanten ausgegangen. Zu einem gewöhnlichen Papiermundschutz überzugehen, würde ein großes und unnötiges Risiko bedeuten.
     
    Die personelle Situation wurde immer schwieriger. Diejenigen vom Pflegepersonal, die noch nicht krank geworden waren, arbeiteten rund um die Uhr. Die zusätzlichen Ärzte, Schwestern und Pfleger, die gestern hätten kommen und sie

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