Das Geheimnis der Totenkiste
das Glitzern von Silber, wo die beiden Kugeln sich in den Brustkorb gebohrt hatten – wo vor wenigen Sekunden noch ein Herz schlug.
Da löste sich der Totenschädel und rollte ein Stück zur Seite. Der Hut blieb an seiner alten Stelle liegen und gab so die Augen frei. Einen flüchtigen Moment schien es Eli, als funkelten sie noch und fixierten ihn. Dann erstarb das Licht in ihnen, der Schädel brach auseinander, genau wie der Rest des Gerippes. Die Gebeine zersplitterten.
Wo der Erzherzog von Szlig gelegen hatte, befand sich nun nur noch ein Häufchen übelriechendes Staubes - ein Umhang, dunkle Beinkleider und ein breitkrempiger Hut.
Damit war der erste Teil seiner selbstgestellten Aufgabe erfüllt, dachte Eli. Es blieb nur noch eines zu tun.
Er warf einen letzten Blick auf diese Welt, drückte den Lauf einer Pistole sorgfältig gegen seine linke Schläfe und betätigte den Abzug.
Erst als weder ein Knall erfolgte, noch sonst etwas geschah, erinnerte er sich, daß er beide Pistolen auf den Vampir angelegt und mit beiden geschossen hatte. Nun war ihm, zumindest im Augenblick, die Möglichkeit genommen, sich selbst zu töten und so die Gefahr, die er heraufbeschworen hatte, von dem hilflosen Landvolk zu nehmen.
Das Mädchen auf dem Boden hatte inzwischen zu schluchzen aufgehört. Sie war jung, oh, so jung…
Sie blickte ihren Retter mit tiefer Dankbarkeit an. Die Spur eines Lächelns bildete sich auf ihren Lippen und ihr Kopf bewegte sich ein wenig…
Was sie doch für eine weiche weiße Kehle hatte! Wie deutlich das Blut hier durch ihre Adern pulsierte – oh, das süße junge Blut…
Eli kauerte sich über sie. In seinen Ohren rauschte es. Ein wirres Durcheinander von Gefühlen quälte ihn. Sein Herz pochte aufgeregt, mit einer intensiven Erwartung, die er nicht verstand.
Erneut schrie das kleine Mädchen gellend auf, als ihr Retter zu ihrem Zerstörer zu werden drohte.
Eli spürte die weiche nachgiebige Haut an seinen Lippen – da drang der schrille Schrei in sein Bewußtsein, schreckte ihn hoch. Einen Augenblick lang, der schnell vergehen mochte, war ihm klar, was er zu tun vorgehabt hatte.
Heftig schob er das nun bewußtlose Kind zur Seite. Ein schreckliches Grauen vor sich selbst erfüllte ihn. Er verachtete sich zutiefst, als er daran dachte, daß er eben noch das unschuldige Blut zu trinken begehrte.
Er rannte davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
Wie weit er in dieser Nacht gelaufen war, er wußte es nicht. Und während er kopflos dahinraste, kämpften zwei Gewalten in ihm. Eine, deren neuerwachter Hunger ihn peinigte, die danach schrie, gesättigt zu werden. Und die andere, sein Verstand, der ihm sagte, daß er etwas gegen das schlimme Verlangen in sich tun mußte – daß er seinem Leben ein Ende machen mußte, ehe er den immer stärker werdenden Drang nicht mehr unterdrücken konnte und das Schlimmste tat.
Doch das Blut mit dem Keim des Vampirs pochte heftiger und heftiger in seinen Adern, dröhnte in seinen Ohren und erinnerte ihn an das süße junge Blut, das er zurückgelassen hatte und das seinen Hunger stillen konnte.
Wenn er einen Strick bei sich gehabt hätte, er hätte sich damit erhängt. Oder trüge er ein Messer bei sich, würde er sich die Kehle aufschlitzen.
Doch sein klarer Verstand sagte ihm, daß selbst ein solches Opfer nichts nutzen würde. Denn sein Blut war bereits das eines Vampirs – und Vampire können nicht sterben.
Mit blicklosen Augen rannte er weiter. Wie oft bremste ein Baum, an dem er sich das Gesicht wund stieß, seine Flucht vor sich selbst! Wie oft stolperte er über Wurzeln oder fiel in einen Graben! Aber er beachtete es nicht.
Plötzlich stand er vor einem armseligen Pfarrhaus neben einer Dorfkirche. Das Glück, oder wie er jetzt glaubte, eine höhere Vorsehung hatte ihn dorthin geführt. Halb betäubt drang er in das Haus ein, wo der greise Pfarrer, betreut von Dr. Harosch, dem Landarzt, friedlich in eine bessere Welt hinüberschlummerte.
Harosch erkannte ihn. Und als Eli keuchend seine Geschichte erzählte, leitete der Arzt sofort die einzig mögliche erfolgversprechende Behandlung ein. Harosch bat den verzweifelten jungen Adeligen, sich neben den sterbenden Geistlichen zu legen. Mit einer Geschicklichkeit, wie man sie von einem Arzt kaum erwartete, der mehr Pferde und Rinder behandelt hatte als Menschen, führte er eine totale Blutübertragung zwischen Eli und dem Priester durch. Es war ein gewagtes Unterfangen mit den primitiven
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